017 - Der Engel des Schreckens
wenn nicht Dr. Thun dazwischengekommen wäre, der in bisher noch nicht aufgeklärter Weise Zugang zu der Wohnung gefunden hatte. In dem heftigen Kampf verwundete der Arzt, der selbst an Verfolgungswahn leidet, den Einbrecher so schwer, daß an dessen Aufkommen gezweifelt wird. Dann richtete der Irre seine Aufmerksamkeit auf die Dame. Glücklicherweise hörte ein alter Mann, der in der Wohnung Hausarbeiten verrichtet und Nachts dort schläft, das Geräusch des Kampfes, und es gelang ihm, die Dame aus den Händen des Wahnsinnigen zu befreien. Der verwundete Einbrecher wurde ins Krankenhaus geschafft, der wahnsinnige Arzt erst aufs Polizeibüro und von dort unter starker Bewachung in die Anstalt, aus der er entsprungen war. Er gab eine Zusammenhang- und sinnlose Erklärung ab, daß General Foch ihm bei der Flucht behilflich gewesen sei und ihn in das Haus seiner Feinde gebracht habe.
Jean Briggerland legte die Zeitung beiseite und lachte.
»Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt«, brummte Briggerland wütend.
»Wenn ich nicht lachte, würde ich vielleicht etwas ganz anderes machen«, sagte das junge Mädchen kühl. »Wenn man überlegt, daß dieser Narr den Versuch noch einmal und allein unternimmt. Wer hätte das denken können!«
»Wie Faire mir mitgeteilt hat, rechnet man nicht damit, daß er durchkommen wird«, sagte Mr. Briggerland und rieb sich gereizt die Hände. »Ob der Wahnsinnige schwatzen wird?«
»Laß ihn doch - das macht nichts«, sagte Jean ungeduldig.
»Aber du sagtest neulich -«
»Das war neulich, mein lieber Vater - da wäre es mir nicht sehr angenehm gewesen, aber heute kommt das gar nicht mehr in Betracht. Ich glaube, wir sind noch sehr gut dabei weggekommen. Ich hatte all die schönen Lehren, die meine Bücher mir geben, vernachlässigt, als ich so wichtige Arbeit anderen überließ. Jaggs!« fügte sie leise hinzu.
»Wie meinst du ?«
»Ich habe nur einen geliebten Namen wiederholt.« Sie lächelte, faltete ihre Serviette zusammen und stand auf. »Ich mache eine große Autotour ins Freie. Willst du nicht mitkommen? Mordon ist über den neuen Wagen geradezu entzückt - übrigens ist die Rechnung heute morgen gekommen. Haben wir noch Geld?«
»Ein paar tausend Pfund«, erwiderte Briggerland und streichelte sein Kinn. »Jean, wir müssen irgend etwas verkaufen, wenn die Aussichten nicht besser werden.«
Es zuckte um Jeans Lippen, aber sie antwortete nicht.
Auf ihrem Wege nach außerhalb sprach sie bei Lydia vor und war nicht überrascht, Jack Glover dort zu finden.
»Arme Kleine«, sagte sie und umschloß die Hand des jungen Mädchens mit ihren beiden. »Ich war so entsetzt, als ich das heute morgen las! Sie müssen ja schreckliche Augenblicke durchgemacht haben.«
Lydia war blaß, und tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, aber sie bemühte sich, möglichst heiter über die Ereignisse zu sprechen.
»Ich habe gerade versucht, Mr. Glover zu erklären, was eigentlich vorgefallen ist. Leider ist der Hauptheld, Jaggs, nicht da. Er weiß mehr als ich, denn ich bin natürlich im entscheidenden Augenblick ohnmächtig geworden.«
»Wie ist er denn hereingekommen - ich meine, der Wahnsinnige?« fragte Jean.
»Durch die Wohnungstür.«
»Der letzte Weg, den ein Geisteskranker nehmen würde, um heimlich in eine Wohnung einzudringen«, warf Jack Glover ein. »Er muß einen Schlüssel gehabt haben und von jemandem hergebracht worden sein, der sich wahrscheinlich beim Schein eines Streichholzes vergewissert hat, vor der richtigen Wohnung zu sein.«
»Der Wahnsinnige kann ja auch selbst das Streichholz angesteckt haben«, sagte Jean, »aber Sie sind ja so klug, daß Sie sicherlich so etwas nicht behaupten würden, wenn Sie es nicht beweisen könnten.«
»Wir fanden zwei Streichhölzer vor der Tür; Dr. Thun hatte keine bei sich, wie sich bei seiner Durchsuchung herausstellte, und außerdem habe ich mir erzählen lassen, daß er, wie fast alle Geisteskranken, vor Feuer in jeder Form zurückschreckt. Der Arzt, mit dem ich sprach, ist überzeugt, daß Thun niemals ein Streichholz angezündet haben würde. Da fällt mir übrigens ein, Miss Briggerland, Ihr Vater ist ja mit dem Bedauernswerten zusammengetroffen. Ich habe erfahren, daß er vor ein paar Tagen die Anstalt besucht hat.«
»Ja, denken Sie, welch ein Zufall!« rief sie ohne jedes Zögern. »Vater und ich sprachen schon heute morgen davon. Er hatte die Erlaubnis erhalten, die großen Anstalten zu besichtigen, um Studien für das Buch
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