017 - Der Engel des Schreckens
Ihnen, Marcus«, sagte sie sanft. »Wenn ich Ihnen behilflich bin - und ich verspreche Ihnen, alles zu tun, was in meinen Kräften steht -, habe ich Vertrauen genug zu Ihnen, meinen Anteil zu erhalten.«
Mr. Marcus Stepney fingerte wichtig an Kragen und Krawatte herum.
»Ich habe noch niemals einen Freund hintergangen.« Er hustete leicht. »Menschen, die ehrlich mit mir spielen, werden auch ehrlich bedient.«
»Und das ist sehr verständig, wenigstens soweit mich das angeht«, sagte Jeans seidenweiche Stimme. »Denn falls Sie mir einen - Streich spielen wollen, würde ich der Polizei Namen und Adresse Ihrer Frau übermitteln, die ja noch lebt.«
Er schnappte wie ein Fisch nach Luft.
»Was - was?« stotterte er.
»Wollen wir nicht die Damen wieder aufsuchen?« fragte Jean spöttisch, stand auf und legte ihren Arm in den seinen.
Es gefiel ihr, wie dieser große, starke Mann an ihrer Seite zitterte.
Kapitel 21
Lydia hatte die Empfindung, schon jahrelang in dieser wundervollen Gegend zu leben - in Wirklichkeit waren erst drei Tage seit ihrem Eintreffen auf Cap Martin vergangen -, als Mr. Marcus Stepney ein regelmäßiger Besucher der Villa wurde.
Selbst nicht ganz einwandfreie Menschen gewinnen manchmal bei näherer Bekanntschaft und strafen den ersten Eindruck Lügen.
Mr. Stepney langweilte Lydia niemals. Er hatte einen unerschöpflichen Schatz von Anekdoten und Erinnerungen - nicht eine von ihnen im geringsten Grade anstößig oder fade; er war aber auch Sportsmann, soweit dies die Mode verlangte, und erschien an einem der nächsten Morgen, um Lydia bei ihrem ersten Bade im Mittelmeer Gesellschaft zu leisten.
Die öffentlichen Badeanstalten sind in Monte Carlo nicht vor Mai geöffnet, und Lydia fand das Wasser viel kälter, als sie angenommen hatte. Sie schwammen zu einem verankerten Floß hinaus, als Mr. Briggerland und Jean am Strande erschienen. Jean war direkt vom Haus im Badeanzug gekommen, und Lydia sah ihr bewundernd zu. Das junge Mädchen war eine ausgezeichnete Schwimmerin, sprang aus beinahe jeder Höhe in das Wasser und konnte es beunruhigend lange Zeit unter der Oberfläche aushallen.
»Ich hätte niemals geglaubt, daß Ihr kleiner Körper soviel Kraft und Energie besitzt«, sagte Lydia, als sich Jean mit einem freudigen Aufschrei neben sie auf das Floß zog und sich das Wasser aus den Augen wischte.
»Da oben sitzt jemand in den Büschen, der uns durch sein Glas beobachtet«, sagte Briggerland plötzlich. »Die Sonne spiegelt sich in den Linsen.« Er wies auf einen der Felsen, aber die beiden Mädchen konnten nichts entdecken.
Plötzlich sah Lydia einen Lichtstrahl in dem Grün der Blätter aufblitzen.
»Ich dachte, so etwas kommt nur in den humoristischen Zeitschriften vor«, sagte sie lächelnd und deutete mit dem Finger auf den versteckten Beobachter, aber Jean blieb ernst und durchforschte das helle Grün mit ihren Blicken.
»Vielleicht ein Besucher von Monte Carlo. Die Bewohner von Cap Martin sind viel zu gut erzogen, um sich etwas Derartiges zuschulden kommen zu lassen.«
Auf einen Blick seiner Tochter hin sprang Briggerland wieder ins Wasser und schwamm mit langen, kräftigen Stößen dem Ufer zu.
»Vater will sich die Sache genauer betrachten«, sagte Jean, »und - im Wasser ist es wirklich noch am wärmsten.« Wie ein Seehund ließ sie sich seitwärts in die blauen Fluten gleiten, tauchte bis zum Grund, und Lydia sah sie über den weißen Boden hinweggleiten. Jetzt schoß sie wieder herauf, schüttelte das Wasser vom Kopf, blickte um sich und tauchte von neuem.
In der Zwischenzeit - Lydias Aufmerksamkeit war durch Jeans Schwimmkünste gefesselt - hatte Briggerland das Ufer erreicht; er zog ein Paar Gummischuhe und den Bademantel an und begann, langsam durch die Büsche nach der Höhe zu steigen, von wo das Funkeln der Gläser gekommen war. Als Lydia sich umblickte, war er verschwunden.
»Wo ist Ihr Vater?« fragte sie Jean.
»Dort oben in den Büschen«, fiel Mr. Stepney ein. »Er wird sich wohl auf die Suche nach dem Neugierigen gemacht haben.«
Mr. Stepney war ungewöhnlich still. Das unerwartete Auftauchen von Mr. Briggerland und Tochter hatte ihm einen Teil seiner guten Laune geraubt.
»Kommen Sie ins Wasser, Marcus«, rief Jean und stieß sich mit dem Fuß ab. »Ich möchte einmal sehen, wie Mrs. Meredith taucht.«
»Ich?« rief Lydia überrascht. »Um keinen Preis! Nach Ihrer wunderbaren Leistung würde ich mich nur lächerlich machen.«
»Dann müssen Sie es
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