017 - Invasion der Kyphorer
Ihm war klar, dass sich damit die ohnehin geringe Chance, der entfesselten atomaren Hölle zu entkommen, weiter verminderte, aber die Alternative wäre ein rascher Tod durch eine Kettenreaktion gewesen.
»Schotte schließen!«, rief der Kapitän und eine andere Stimme meldete Vollzug. Verzweifelt versuchte der erfahrene Offizier, das Schiff mit Hilfe der verbliebenen Impulstriebwerke einerseits zu stabilisieren und andererseits zurück auf Kurs zu bringen – einen Kurs, der die PHAETON so schnell wie möglich so weit wie möglich weg bringen sollte von der Hölle, die wenige Minuten zuvor noch die große UNO-Station auf dem Mond gewesen war – der ›Stolz der Menschheit‹, wie man sie bei ihrer Einweihung genannt hatte.
Die Mondstation, die für die Bewohner der Erde das Sprungbrett zu den Sternen hätte werden sollen.
Endlich verlangsamte sich die Rotation des Raumschiffs, wenn auch die überbeanspruchte Zelle immer noch ächzte und stöhnte wie ein waidwundes Tier.
»Höhe über Grund?«
»Vierzehn Meilen, steigend!«
Kapitän Chandler atmete auf. In Verbindung mit der aktuellen Geschwindigkeit der PHAETON bedeutete dies, dass sie es geschafft hatten – sie würden der Anziehungskraft des Mondes entkommen!
Vorausgesetzt, der Antrieb explodierte nicht doch noch …
»Schadensmeldungen!«
»Der Antrieb ist hin!«
»Das ist keine Meldung, verdammt noch mal!«
»Reaktoren drei und sechs zerstört, Reaktoren zwei und fünf ausgefallen!«
»Reparabel?«
Der Mann in der Reaktorzentrale, der die Meldung machte, zögerte. »Möglicherweise«, sagte er dann.
Der Kapitän nickte langsam. Die Aussage bedeutete: Wenn sie die Erde erreichten – und hinter diesem wenn stand ein großes Fragezeichen – dann würde das nicht, wie bei einem normalen Flug, Stunden, sondern Tage dauern – mindestens!
Schlimm für die Passagiere, von denen sich viele verletzt haben mussten. Mit Sicherheit hatte es auch Tote unter ihnen gegeben. Und Vorräte für so viele Menschen und einen so großen Zeitraum gab es an Bord ebenfalls nicht.
Der Kapitän seufzte und verdrängte diese Gedanken. Zu allererst bestand seine Aufgabe darin, die PHAETON heil aus dem Schwerebereich des Mondes zu bringen. Alles Weitere musste sich danach ergeben.
Ein Aufschrei eines der Besatzungsmitglieder ließ ihn herumfahren. Der Mann zeigte auf den Heckbildschirm, dessen Bild sich mit dem Raumer stabilisiert hatte. Wo einst die Kuppel gestanden hatte, war nun nur noch ein brodelnder See zu erkennen, dessen Ränder sich bereits abzukühlen und zu einer glasigen Masse zu verfestigen begannen.
Das war es jedoch nicht, was den Mann so entsetzt hatte.
Im Zentrum des Sees, inmitten kochender Massen ehemaligen Gesteins, erhob sich ein etwa hundert Meter durchmessendes Gebilde.
Eine schimmernde Kuppel.
Der Schutzschirm der Kyphorer – völlig intakt!
5.
Als ›Don‹ Alfonso Volpone, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Konzerns MAFIA, an diesem Dienstagmorgen sein Büro in der Konzernzentrale in Neapel betrat, begannen die Sender gerade, die Nachrichten von der Invasion auf dem Mond zu verbreiten.
Gemeinsam mit Giancarlo Parisi, genannt ›The Viper‹, seinem Sicherheitschef und mit Francesco Rosario, seinem Privatsekretär, betrachtete der ›Don‹ die Bilder der schimmernden, knapp hundert Meter durchmessenden Kuppel inmitten eines Walls von Trümmern. Von der restlosen Vernichtung der Mondstation durch die Atomraketen der Konzerne Mechanics Inc., Flibo und Dai-mi-su war noch nichts zu den Nachrichtenmachern durchgedrungen.
Schließlich kündigte eine sichtlich nervöse Sprecherin ein Statement des ›Konzernchefs von Mechanics Inc.‹ an. Als anstelle des von Volpone und seinen Gefährten erwarteten Lino Frascati das kantige Gesicht Clint Fishers auf dem Bildschirm erschien, fuhr Rosario aus seinem Ledersessel auf.
»Fisher Konzernchef! Was ist mit Frascati passiert? Unserem Frascati?«
»Schnauze!«, fuhr ihn Volpone an, der ebenso überrascht war.
»Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren«, begann Fisher förmlich. Seine schmalen, fast blutleeren Lippen verzogen sich zu der missglückten Andeutung eines Lächelns. Wie stets trug er einen seiner ungezählten, aber identischen grauen Maßanzüge und der am Bildrand aufsteigende Rauch zeigte an, dass er nicht einmal in dieser Situation auf seine geliebten Zigarillos verzichten mochte.
Ohne weitere Präliminarien kam der neue Konzernchef von Mechanics zur Sache: »Ich
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