017 - Invasion der Kyphorer
sich in Chans Helmfunkgerät.
»Sie machen besser schnell – ich gebe Ihnen nur noch eine Minute, dann schließe ich das Schott! Wolseley hat mir bereits zweimal mit der Erschießung gedroht!« Ein heiseres Lachen folgte, dann brach die Verbindung ab.
Haiko Chan wandte sich auf seinem Sitz um. Überrascht stellte er fest, dass fast alle Passagiere in dem Schlauch verschwunden waren. Der bewusstlose Don Jaime schien mitgenommen worden zu sein; jedenfalls war er nicht mehr zu sehen.
Der Überlebensspezialist stand auf, um einen besseren Überblick zu bekommen. Soeben verließen auch die letzten Passagiere den Bus. Tatsächlich, es war niemand mehr – doch halt! Dort hinten ragte ein Paar Beine aus einer Sitzreihe hervor!
Chan sprang über die Absperrung des Fahrersitzes und hastete durch den Gang. Tatsächlich, dort lag ein Mensch, der wohl in dem Gedränge das Bewusstsein verloren hatte oder verletzt worden war! Der Überlebensspezialist beugte sich über ihn.
Eine Frau! Aber waren denn nicht längst alle Frauen und Kinder an Bord des Raumschiffs?
Ihr Gesicht war nicht zu erkennen, da es durch einen schwarzen Schleier verdeckt wurde. Chan hob sie hoch und rannte mit ihr in den Schlauch. Wenn er nur nicht zu spät kam …
Er schaffte es! Als er das Schott des Schiffs erreichte, stolperte er und seine Last flog in hohem Bogen davon, bis sie von einer Menschentraube aufgehalten wurde. Während er sich keuchend wieder aufrichtete, fuhr das Schott zischend zu – keine fünf Zentimeter hinter seinen Füßen!
Er war an Bord der PHAETON, ohne dies eigentlich gewollt zu haben und das Schiff schickte sich an zu starten!
Völlig konsterniert starrte er das Schott an. Der Boden begann zu vibrieren, als dem Beschleunigungsfeld, das den Raumer trug, Energie zugeführt wurde und es die gewaltige Masse des Linienraumers anschob, zunächst langsam, dann immer schneller …
Chan warf einen Blick auf den Chronometer.
02:05 Uhr!
Nur noch sechs Minuten bis zum ersten Einschlag!
Wenn das nur reichte!
Ein Stöhnen lenkte ihn ab. Die Frau, die er gerettet hatte, richtete sich langsam auf, wobei sie einen äußerst undamenhaften Fluch ausstieß – mit einer nicht minder undamenhaften Stimme.
Mit unsicherem Gang tat der Überlebensspezialist einige Schritte auf die ›Dame‹ zu. Ihr Schleier war etwas verrutscht und darunter lugte das Ende eines Ziegenbarts hervor.
Mit einem Ruck riss Chan den Schleier beiseite und fegte der ›Dame‹ dabei auch gleich noch eine schwarze Perücke vom Kopf. Zum Vorschein kam ein bis auf den Ziegenbart und buschige, schwarze Augenbrauen haarloser Schädel. Ein weiterer schneller Griff unter das Gewand – Chan hielt zwei überreife Äpfel in der Hand.
»Mr. Schuster!«, entfuhr es ihm. »Ich muss mich doch sehr wundern!«
Matt Schuster, ehemaliger Manager des Luna-Star, des teuersten und exklusivsten Luxushotels des Sonnensystems(siehe Band 16: ›Frascati mal zwei‹), ließ seine Augen durch den Raum irren. Seine auf dem nackten Metallboden ruhenden Hände spürten die Schiffsvibrationen und plötzlich löste sich aus seinem Mund ein lautes, meckerndes Lachen.
»Ich habe es geschafft! Ich bin an Bord! Ich habe es geschafft!« Wieder sah er sich um und lachte – er konnte sein Glück kaum fassen.
Abermals warf Haiko Chan einen Blick auf die Uhr. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
»Nein«, murmelte er kaum hörbar. »Noch haben wir es nicht geschafft!«
*
Stille herrscht in dem großen Kontrollraum des Raumhafens. Kaum jemand sieht noch auf einen der großen Bildschirme, auf dem die PHAETON als langsam kleiner werdender Lichtpunkt zu sehen ist.
Oder auf den anderen Schirm, auf dem der Vorplatz des Abfertigungsgebäudes abgebildet ist, bevölkert von Tausenden von Menschen, die mitten in der Bewegung eingefroren scheinen.
George Wolseley sitzt an seinem Pult, die Rechte um einen Becher Kaffee gekrallt, der längst eiskalt ist. Er weiß, dass er in diesem Leben keinen Kaffee mehr trinken wird.
Will Henry, der Leiter der ehemaligen Mechanics-Station auf dem Mond, die nun unter einem scheinbar unverwundbaren strahlenden Schirm der Kyphorer liegt, inmitten eines Schuttwalls, hat auf einem freien Sitz Platz genommen. Bis zuletzt hat er Wolseley bei der Organisation der Evakuierung unterstützt, doch nun, da die PHAETON gestartet ist und alle mondtüchtigen Bodenfahrzeuge die Station verlassen haben, sieht er keinen Sinn mehr darin, weiterzuarbeiten.
Ubutu, der höchste
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