017 - Invasion der Kyphorer
Volpones verhätschelte kohlrabenschwarze Katze, die mit dieser Verhätschelung und deren Auswüchsen durchaus nicht immer einverstanden war, rannte durch einen der langen, kahlen Gänge, die es in dem unterirdischen Labortrakt des MAFIA-Hauptquartiers zuhauf gab. Etwa dreißig Meter hinter ihr keuchte eine kleine und dicke Gestalt, die jedoch mit der Geschwindigkeit der Katze nicht mithalten konnte und stetig weiter zurückfiel. Roberto Lasso, Felicitas’ Leibveterinär und Aufpasser, hätte alle ihm bekannten Flüche und gewiss noch eine große Menge neu erfundener ausgestoßen, wenn ihm dafür nicht die Puste gefehlt hätte. So beschränkte er sich darauf, etwas zu japsen, das man als »So halt doch an, mein liebes, liebes Kätzchen!« hätte verstehen können, wenn man es denn gewollt hätte.
Doch Felicitas wollte nicht.
An der nächsten Gangkreuzung schlug sie einen Haken und bog in einen Quergang ab. Als Lasso diese Stelle endlich erreichte, war sie bereits außer Sicht. Mit laut rasselndem Atem blieb er stehen und hielt sich die schmerzende Seite.
»Mistvieh!«, stieß er hervor. »Warte nur, irgendwann bist du Volpone nicht mehr wichtig und dann …«
Glücklich, ihrem Verfolger entronnnen zu sein und die viel zu seltene Freiheit genießend, verlangsamte Felicitas ihren Schritt. Die meisten der Zweibeiner, denen sie auf ihrem Ausflug begegnete, lachten, wenn sie sie sahen und hoben grüßend einen Arm. Die Katze mit dem diamantenbesetzten Halsband war hier allgemein bekannt und bei den meisten gerne gesehen. Angesichts Volpones deutlich gezeigter Liebe zu dem Tier hätte es auch der größte Schurke niemals gewagt, Felicitas ein einziges Härchen ihres dichten und glänzenden schwarzen Fells zu krümmen.
Eine Bewegung einige Dutzend Katzenlängen vor ihr ließ Felicitas innehalten. Drei Zweibeiner bogen in den Gang ein; zwei von ihnen hielten längliche Gegenstände aus dem Material, das die Menschen ›Metall‹ nannten, auf den dritten gerichtet, der zwischen ihnen ging. Keiner der drei schien die Katze zu bemerken; mit schnellen Schritten entfernten sie sich von ihr.
Kurz entschlossen folgte Felicitas ihnen. Die letzten paar Tage hatte sie fast ausschließlich in ihrem zugegebenermaßen luxuriös ausgestatteten Zimmer verbracht und nun hatte sie das dringende Bedürfnis, sich zu bewegen und vielleicht sogar ein Abenteuer zu erleben.
Mehrere Minuten lang marschierte die seltsame Gruppe durch die Gänge. Keiner der Zweibeiner sah sich auch nur ein einziges Mal um. Nicht, dass Felicitas davor Angst gehabt hätte; schließlich war sie sich dessen bewusst, hier von allen gekannt und geliebt zu werden – von einigen sogar ein bisschen zuviel geliebt!
Endlich blieben die Menschen vor einem Schott stehen, das lautlos auffuhr. Nachdem sie in dem dahinter anschließenden Raum verschwunden waren, huschte auch Felicitas wie ein blitzschneller schwarzer Schatten hinein. Drinnen blieb sie abrupt stehen.
Sie kannte diesen Raum!
In der Mitte stand jenes seltsame, schiefe Ding, das ein bisschen wie eine künstliche Höhle aussah. Sie erinnerte sich, darin bereits einmal vor dem Dicken, der im Auftrag ihres Menschen auf sie aufpassen sollte, Schutz gesucht zu haben. Dabei hatte sie festgestellt, dass der Innenraum der ›Höhle‹ völlig leer und überaus uninteressant war.
Aber neben diesem schiefen Ding stand etwas anderes, Hochaufgerichtetes, Gerades . So gerade, wie es fast alle Dinge waren, mit denen sich die Zweibeiner umgaben. Eben in diesem Moment betrat einer der drei Menschen, denen Felicitas gefolgt war, dieses gerade Ding, das einer Aufzugskabine nicht unähnlich war. Plötzlich ertönte ein kurzes, helles Singen und der Mann in der Kabine brach zusammen.
»Das wär’s«, sagte eine Stimme. »Sie können anfangen, Signor Natto!«
»Nur eine Minute!«, antwortete ein anderer Zweibeiner. »Es gibt noch ein kleines Problem mit der Energieversorgung!«
»Beeilen Sie sich gefälligst! Der Don wartet nicht gerne und im Hafenbecken wird’s langsam eng, hab’ ich läuten hören!«
»Ist ja gut, ist ja gut! Ich eile! Ich fliege! Nur noch ein paar winzig kleine Nanosekündchen!«
Vorsichtig sah sich Felicitas um. Auch wenn sie mit beinahe allen Zweibeinern befreundet war, so hatte sie doch die Erfahrung gemacht, dass diese unwirsch reagierten, wenn sie sich irgendwelchen Dingen näherte, die tabu waren. Nun war es für Felicitas nicht immer ganz einfach zu unterscheiden, was tabu war und was nicht,
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