0171 - Der Herr des roten Mohns
und ihn selbst fassen wollen, brauchen Sie dreihundert Detectives und zwanzig Panzerwagen. Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich da eingelassen haben. Ich selbst habe das bis heute auch nicht genau gewusst. Ich vermutete es nur. Aber inzwischen erhielt ich Informationen, die meine Vermutung nicht nur bestätigt, sondern sogar übertroffen haben.«
»Und nur um uns das zu sagen, sind Sie hierher gekommen?«
»Nein, darum nicht. Ich habe Don McDonald gefunden. Es hat fünfzig Dollar gekostet, aber das war es wohl wert.«
»Und wo wohnt der Bursche?«
»In einem kleinen Hotel in Kawloon«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. »Ich würde Ihnen nicht empfehlen, ihn zu besuchen.«
»Warum? Soviel ich weiß, kommt man doch mit der Fähre in einer Viertelstunde hinüber.«
»Ja, hinüber, aber nicht zurück. Wissen Sie denn nicht, dass Kawloon keine Polizei hat? Es ist die Zuflucht für Verbrecher und Mörder. Kawloon ist die Hölle.«
»Nun, dann werden wir eben einen Ausflug in die Hölle machen und dem Satan gute Nacht sagen«, grinste ich.
»Auf mich können Sie dabei nicht rechnen. So Leid es mir tut, aber ich bin kein Selbstmörder. Ich muss auch Rücksicht auf meine Familie nehmen. Sie können sich denken, dass ich kein Feigling bin, sonst hätte Mister High mich Ihnen nicht empfohlen, aber lassen Sie sich sagen: Gegen Kawloon ist New-Yorker Eastend ein Kindergarten.«
Phil und ich blickten uns an. Der Emst, mit dem Won gesprochen hatte, war nicht ohne Eindruck geblieben.
»Was raten Sie uns zu tun?« fragte ich.
»Warten Sie, bis er nach Hongkong kommt. Ich habe zwei Leute, die ohne Gefahr hinüber können. Sie werden ihn beaufsichtigen. Nur ein paar Dollars müssen Sie mir dann noch geben.«
»Hier!«
Ich griff wieder einmal in die Brieftasche und blätterte einige Scheine auf den Tisch. Es war ein Glück, dass wir mit reichenden Spesengeldern versehen waren.
»Danke«, sagte Won und steckte das Geld ein.
»Wie lange aber kann es dauern, bis der Kerl herüberkommt?« erkundigte sicht Phil.
Der Chinese zuckte die Achseln.
»Niemand weiß es. Vielleicht heute schon, vielleicht niemals.«
»Warten wir also noch bis morgen früh«, schlug Phil vor. »Wenn sich bis dahin nichts getan hat, fahren wir hinüber. Sobald wir den Schotten haben, wird er singen, und dann ist der Rest eine Kleinigkeit.«
»Hoffentlich täuschen Sie sich nicht«, meinte Won. »Sollten Sie jedoch wirklich diesen irrsinnigen Ausflug unternehmen wollen, dann lassen Sie mich das wissen. Hier ist meine Telefonnummer. Ich werde dann dafür sorgen, dass Sie nicht auffallen. Wenn Sie so, wie Sie jetzt sind, dort erscheinen, sind Sie bereits erledigt. Außerdem möchte ich Ihnen einen Lotsen mitgeben.«
»Abgemacht, Won, und unseren Dank.«
»Ich fürchte, Sie werden mir nichts zu danken haben«, meinte er und schob resignierend die Schultern hoch.
***
Gerade wollten wir zum Dinner gehen, als uns ein neues Telegramm aus New York gebracht wurde. Phil machte sich sofort ans Dechiffrieren:
sendet sofort telegrafisch bericht stopp seit drei tagen neue opiumimporte festgestellt stopp trotz schärfster kontrolle keine spur stopp high.
Das war alles, doch zwischen den Zeilen lag ein unverdienter Vorwurf. Wäre es nach mir gegangen, dann hätte ich zurücktelegrafiert, unser hoher Chef möge kommen und sich diesen Saustall ansehen.
Phil und ich besprachen den Fall. Irgendwie musste das Gift eingeschmuggelt werden. Flugzeuge schieden unserer Meinung nach für größere Mengen aus. Das Opium konnte nur auf dem Seeweg transportiert worden sein. Wir kannten die Methoden der Zollfahndung und wussten, dass kein Millimeter bei der Untersuchung der Schiffe ausgelassen wurde. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Das Rauschgift wurde entweder falsch deklariert oder in harmloser Ware versteckt.
»Ich hab’s«, sagte Phil plötzlich. »Das Telegramm wurde vor drei Stunden ausgegeben. Heute ist der 20., und seit drei Tagen, also seit dem 17., wurden illegale Einfuhren von Opium festgestellt. Das konnte natürlich nicht sofort, nachdem es angekommen war, geschehen, denn die Verteilung ist eine komplizierte Angelegenheit und nimmt einige Zeit in Anspruch. Andererseits will man die heiße Ware so schnell wie möglich loswerden. Fordern wir uns also eine Liste sämtlicher innerhalb der letzten Woche aus Hongkong, angekommener Frachten an. Es dürfte genügen, wenn wir die für New York bestimmten bekommen. Ich wette hundert Dollar gegen ein faules
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