0174a - Am Broadway ist der Teufel los
Und ein anonymer Anrufer behauptet, mit dem Fall Juastado stimme einiges nicht. Mehr als genug Gründe, der Sache nachzugehen. Gut, sie war keine erklärte FBI-Sache. Aber wenn ein Steuerzahler den FBI anruft, ist es unsere Pflicht, ihn anzuhören. Er könnte Gründe haben, warum er nicht zur Stadtpolizei geht.
Mir war der entscheidende Punkt der ganzen Sache noch immer nicht aufgefallen, obgleich es eigentlich kein Punkt, sondern ein richtiger Felsbrocken war, über den ich normalerweise hätte stolpern müssen.
***
Die Amerikaner sind das Volk der Arbeitshandschuhe. Gelbe, billige Arbeitshandschuhe aus Leder trägt der Maurer auf der Baustelle, der Cowboy in Arizona, der Traktorfahrer auf den Weizenfeldern in Kansas — und der G-man in New York, wenn er Auto fährt. Man schont die Hände, und die Handschuhe schwitzen nicht. Man rutscht mit ihnen niemals ab, weil sie etwa schweißnaß wären. Und außer diesen sachlichen Gründen spielt natürlich die Gewohnheit eine Rolle.
Ich hatte gerade meinen Jaguar auf einem Parkstreifen der Lenox Avenue abgestellt und wollte den Wagen abschließen, als weit vor mir ein Schuß fiel. Es war fast 12 Uhr mittags, auf der Lenox Avenue herrschte der übliche, dichte Verkehr — ich fragte mich einen Augenblick, ob ich vielleicht eine Fehlzündung eines Motors mit dem Geräusch eines Schusses verwechselt haben könnte. Aber dann wurde mir klar, daß es ein Schuß gewesen sein mußte, und zwar ein Schuß aus einer kleinkalibrigen Pistole, die ein helles, peitschendes Schußgeräusch erzeugt, nicht so ein dumpfes, dröhnendes Krachen wie etwa bei einem 48er.
Ich schloß den Wagen ab, während rings um mich herum schon Bremsen kreischten, Schreie laut wurden und neugierige Männer sich hastig in Bewegung setzten. Ich kam nicht dazu, die gelben Handschuhe auszuziehen, die ich am Steuer meistens trage. So schnell ich konnte, stürmte ich die Lenox Avenue hinauf, auf die Kreuzung mit der 144. Straße zu. Lange bevor ich sie erreicht hatte, kreischte Blech, es bumste scheppernd, und Glas splitterte. Das typische Geräusch eines Autounfalles. Ich legte einen Schritt zu, aber ich kam nicht mehr weit.
Ungefähr zehn Schritte vor der Kreuzung gellte plötzlich eine Männerstimme:
»Das ist er! Da! Da läuft er!«
Bevor ich verstand, von wem die Rede war, war ich plötzlich von fünf, sechs Männern umkreist. Sie hingen sich an mich wie Kletten. Sie hielten mir die Arme, die Beine fest, und einer umklammerte von hinten meinen Hals. Waren diese Leute auf einmal verrückt geworden? Ich strampelte, aber sie ließen mich nicht los.
»Laßt mich los!« keuchte ich atemlos. »Loslassen! Zum Teufel, ihr sollt mich loslassen!«
»Das könnte dir so passen!« fauchte einer, der mein rechtes Bein umschlungen hatte. »Erst einen umlegen und jetzt den Unschuldigen spielen!« Polizeisirenen gellten von fern. Die Menge rings um uns wuchs. Böse, verkniffene Gesichter starrten mich an.
»Hängt ihn doch gleich auf, den Lumpen«, hörte ich.
»Ihr sollt mich loslassen!« keuchte ich noch einmal, aber ich bekam es nur fetzenweise heraus, denn sie hatten meinen Hals von hinten so fest umklammert, daß ich kaum genug Luft bekam. »Schlagt den Hund doch tot!«
»Die Polizei wird ihm schon einheizen.«
Die Polizeisirenen fegten heran. Frauen kreischten, Bremsen kreischten, Kinder kreischten — fünf Sekunden lang kreischte alles, dann war es auf einmal ruhig. Nur das laute Trappeln schwerer Polizeistiefel dröhnte über das Pflaster. Die Menge seitlich von mir teilte sich. Vier Cops tauchten in blauen Uniformen auf. Sie hielten ihre schweren Dienstpistolen in den Händen. Vornweg kam ein Sergeant mit einem Stiernacken, einem kantigen Schädel und stahlgrauem Haar unter der Schirmmütze.
»Was geht hier vor?« bellte er. »Laßt den Mann los!«
Zögernd wurde ich wieder auf meine Beine gestellt. Meine Hand fuhr zum Hals, weil ich mir den Kragen aufmachen wollte. Nach der Drosselkur brauchte ich frische Luft. Aber der Sergeant war wachsam wie ein Luchs. Seine Mündung ruckte hoch und zeigte auf meine Brust.
»Keine Bewegung!« schnaufte er dabei. Und wiederholte seine Frage: »Was geht hier vor?«
Dreißig Frauen, Mädchen, Jungen und Männer redeten durcheinander. Der Sergeant ließ mich ebensowenig aus den Augen wie seine drei Cops. Ich blieb reglos stehen und ergab mich in mein Schicksal. Schließlich hatte ich keine Lust, von den Cops wegen einer Verwechslung erschossen zu werden.
Nach
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