0174a - Am Broadway ist der Teufel los
Ein Whisky hätte mir auch gutgetan, aber ich trage nie Alkohol mit mir herum, wenn ich nicht gerade vom wöchentlichen Vorratseinkauf komme.
Ich griff also in die rechte Rocktasche. Die gelben Handschuhe hatte ich noch an. Aber statt der Zigarettenschachtel spürte ich etwas anderes, etwas Hartes und Schweres in der Tasche. Verwundert zog ich es heraus.
Es war eine 32er Walther. Ich stutzte, dann hob ich die Waffe hoch und schnüffelte am Lauf. Kein Zweifel. Es roch nach Kordit. Aus dieser, mir gänzlich fremden Waffe mußte vor kurzer Zeit geschossen worden sein.
***
Phil trat an den Empfangsschalter und sagte:
»Ich möchte den Geschäftsführer sprechen.«
Der glattrasierte Mann hinter dem Schalter sah so frisch und gepflegt aus, als wäre er gerade erst aus Cellophan gewickelt worden. Sein rundliches Gesicht legte sich in kummervolle Falten, während die schlauen Augen Phil taxierend betrachteten.
»Ich fürchte, Sir, das wird nicht möglich sein. Mister Roccioni ist —«
Phil schob seinen Ausweis hinüber. Er lächelte freundlich, aber er sagte nichts. Er wies nur mit seinem Blick auf den Ausweis. Das runde Gesicht senkte sich über das Dokument. Es kam ruckartig wieder hoch.
»Verzeihung, Mister Decker. Ohne Aufsehen, wenn ich bitten darf?«
»Aber selbstverständlich«, bestätigte Phil. »Ich bin doch ein alter Freund von Mister Roccioni.«
Er wurde von einem herbeigewinkten Pagen ein paar Stufen hinaufgeführt und nach links, hinter vier Säulen vorbei, einen Gang entlanggeschickt. Der Page riß eine Tür auf, nachdem er Phil sogar das Klopfen abgenommen hatte. An der Tür hing ein Schild, aber der Page riß sie so schnell auf, daß Phil die Aufschrift nicht lesen konnte.
Das Zimmer war verhältnismäßig groß und teuer, aber nicht übertrieben luxuriös eingerichtet. Ein dicker Teppich bedeckte den Fußboden, zwei große Herrenzimmerschränke enthielten vermutlich die nötigen Akten, und der Schreibtisch in der Mitte hätte sich in jedem Direktionsbüro sehen lassen können, Er war weder zu billig noch hätte er wegen zuviel Aufwand das Mißfallen der Aktionäre erregt. Genau die richtige Mittellinie.
Roccioni sah gar nicht aus wie ein Italiener. Er war hochgewachsen, schlank und wahrscheinlich knapp über fünfzig. Sein schlohweißes Haar machte ihn nicht alt, im Gegenteil: so, wie es modern, kurz und fast jugendlich frisiert war, erhöhte es den Eindruck von Spannkraft und Energie, der von diesem Mann ausging. Im Gegensatz zu vielen Hotel-Leuten, mit denen Phil schon zu tun gehabt hatte, trug Roccioni einen einfachen, dunklen Straßenanzug. Das Sheraton-Hotel schien sieh der Zeit anzupassen.
»Roccioni«, stellte sich der Geschäftsführer vor. »Ich bin der Manager.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mister Roccioni«, sagte Phil höflich und erwiderte die angedeutete Verbeugung. Bei Maßnahmen wie denen, die er durchzuführen hatte, war man auf das Entgegenkommen der Geschäftsleitung angewiesen. Phil nannte seinen Namen, seine Dienststelle und fügte hinzu: »Es handelt sich um eine Routine-Nachforschung, Mister Roccioni, für die ich gern Ihre Unterstützung hätte.«
Roccioni hatte Phil einen bequemen Sessel angeboten. Er lächelte weltmännisch.
»Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch«, erwiderte er gewandt. »Prinzipiell arbeiten wir eng mit den Behörden zusammen, wir sind amerikanische Staatsbürger und ein Hotel von Ruf. Aber es könnte Fragen geben, die wir — eh, wie soll ich sagen? —, die wir nur beantworten können, indem wir unseren Gästen gegenüber indiskret würden. Ich würde es vorziehen, wenn solche Fragen gar nicht erst gestellt werden.« Phil grinste.
»Das hängt jetzt wieder davon ab, wie weit bei Ihnen die Diskretion geht«, sagte er schlagfertig. »Machen wir doch die Probe aufs Exempel. Ich möchte wissen, ob und wann dieser Mann hier gewohnt hat, falls er je hier war.«
Er legte Schneiders Foto auf den Schreibtisch.
»Das ist keine Indriskretion«, sagte Roccioni zufrieden. »Niemand, der bei uns Wohnung nimmt, kann erwarten, daß wir eine Art Versteck oder Geheimbund sind. Ich habe dieses Gesicht schon gesehen, Mister Decker. Das spricht dafür, daß der Herr hier schon gewohnt hat. Wenn Sie mir das Bild eine Minute anvertrauen, kann ich Ihnen bald Genaueres darüber sagen,«
»Wen wollen Sie fragen?«
»Den Empfangschef natürlich.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn Sie ihn hier fragen? Ich möchte gern sehen, was er für ein Gesicht dabei
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