0174a - Am Broadway ist der Teufel los
Anruf!«
»Kannten Sie die Stimme?«
»Nein. Aber der Mann schien mich zu kennen. Er verstellte am Telefon seine Stimme, da bin ich ganz sicher. Er wollte mich ansprechen. Ich sollte mich nur an einen Tisch in der Kneipe setzen, und er würde sich melden. Wenn es zu dieser Begegnung gekommen wäre, hätte ich Ihnen sagen können, ob ich den Mann nicht vielleicht doch kenne.«
»Aber eben zu dieser Begegnung kam es nicht?«
»Himmel, Anderson, Sie gehen mir heute auf die Nerven! Nein, es kam nicht zu dieser Begegnung, es konnte nicht dazu kommen, weil der Schuß fiel, als ich den Wagen abschloß, und weil mich diese Verrückten plötzlich festhielten und ein paar tüchtige Cops mich hinterher sogar zwangen, wie ein Gangster an der Mauer zu stehen.«
»Na schön«, sagte der Lieutenant. »Nun zeigen Sie mir wenigstens mal die Kneipe, Cotton!«
Wir standen an der Kreuzung, Ich hob den Arm und wollte auf die Ecke zeigen, wo sich die Kneipe hätte befinden müssen — aber es gab keine. An der Ecke stand der Glasbau eines Warenhauses. Von einer Kneipe war weit und breit nichts zu sehen.
»Verdammt«, knurrte ich. »Der Kerl hat mich angeschmiert!«
Anderson berührte mich am linken Ellenbogen.
»Kommen Sie«, sagte er. »Sehen wir uns mal den Toten an.«
Wir überquerten die geräumte Kreuzung, gingen um die zusammengestoßenen Wagen herum und schritten auf die Gestalt zu, die reglos auf dem Pflaster lag. Sie war mit einem dunkelgrauen, einreihigen Anzug bekleidet. Knapp unterhalb des roten Ziertuches, das aus der Brusttaschte ragte, gab es ein kleines Loch im Jackett. Die Ränder hatten sich dunkel gefärbt. Das Gesicht des Mannes hatte bereits die wächserne Farbe des Todes. Er mochte dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt sein. Ich hatte ihn nie zuvor gesehen.
»Kennen Sie den Mann?« fragte Anderson.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Nie gesehen.«
»Cotton, denken Sie mal nach!« brummte der Lieutenant.
Ich stemmte die Fäuste in die Hüften. Allmählich wurde es mir zu bunt.
»Ich weiß nicht, welche Laus Ihnen heute über die Leber gelaufen ist, Anderson«, sagte ich knurrig, »oder was Sie heute auf einmal gegen mich haben, aber wenn ich Ihnen sage, daß ich diesen Mann noch nie gesehen habe, dann können Sie es glauben!«
»Es ist Brian Hillery«, sagte Anderson ruhig.
Ich riß die Augen auf und starrte Anderson groß an. Der Name hatte mich getroffen wie ein Tiefschlag.
***
Im Vorzimmer des Bundesanwalts saß eine grauhaarige Sekretärin, die eine ukrainische Bluse trug. Bluse und Akzent verrieten die slawische Herkunft der Frau. Aber Phil hatte an diesem Mittag keine Augen für derlei Dinge. Atemlos fragte er:
»Ist der Staatsanwalt drin?«
Er zeigte auf die geschlossene Doppeltür.
»Nein, Sir. Sie müssen später wiederkommen, wenn Sie ihn sprechen wollen.«
Phil preßte die Lippen aufeinander. Er warf einen raschen Blick auf seine Uhr. Es war kurz nach eins. Wahrscheinlich war der Staatsanwalt zum Essen weggefahren. Phil zückte seinen Ausweis.
»Ich bin Phil Decker vom FBI«, stellte er sich vor. »Würden Sie so freundlich sein, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
»Wenn ich es kann, Sir, gern.«
»Hat der Staatsanwalt etwas von einem Mordfall in der Lenox Avenue gemeldet bekommen?«
»O ja, Sir! Sie meinen die Sache mit Mister Cotton, Ihrem Kollegen, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Was ist dem Staatsanwalt gemeldet worden?«
»Das weiß ich nicht genau, Sir. Er wurde angerufen, und ich habe selbstverständlich nicht mitgehört.«
»Was sagte er nach dem Anruf?«
»Er hat immer wieder den Kopf geschüttelt und vor sich hingemurmelt. Aber es war nicht zu verstehen, was er sagte. Dann setzte er den Hut auf, telefonierte nach seinem Wagen und ging. Er sagte nicht einmal, wann er voraussichtlich wieder zurück sein würde, so in Gedanken war er.«
»Hm…«
Phil ging ein paar Schritte auf und ab und dachte angestrengt nach. Dann erbat er die Erlaubnis, das Telefon benutzen zu dürfen. Er rief die Vermittlung an, die für die Mordkommission im westlichen Manhattan als Zentrale fungierte, und erkundigte sich nach Lieutenant Anderson.
»Tut mir leid, Sir«, erwiderte eine weibliche Stimme. »Der Lieutenant ist nicht im Hause.«
»Danke«, seufzte Phil und legte auf. »Ich komme wahrscheinlich im Laufe des Nachmittags wieder.«
Die Sekretärin des Bundesanwaltes nickte nur. Phil verließ das Büro, hastete die Treppe hinab und setzte sich ans Steuer des Dienstwagens, mit dem
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