0174a - Am Broadway ist der Teufel los
Lachen zu verbeißen. Neville war seit Jahr und Tag zum erstenmal wieder in freier Wildbahn, nachdem er seit vielen Jahren nur noch Innendienst tun durfte wegen seines Alters.
»Mensch, seid doch vernünftig!« bettelte der zweite. »Wir dürfen keinen ’reinlassen. Der Boß will schlafen.«
»Am hellichten Tag?« kritisierte Neville. »Dazu hat er in der Nacht genug Zeit. Geh beiseite, Kleiner. Ich will mit deinem Boß sprechen, und wenn ich was will, dann geschieht das.«
»Was, zum Teufel, ist denn hier los?« knarrte eine scharfe Stimme aus dem Dunkel des Hausflurs.
Und dann erschien Eddy Snipp selber auf der Bildfläche. Er trug einen seidenen Morgenmantel chinesischer Herkunft, einen schreiend gelben Schal und rote Hausschuhe.
»Man sollte sich eine Sonnenbrille aufsetzen«, brummte Neville, »Das mildert die Farben etwas. Tag, Snipp. Für den Fall, daß du mich nicht mehr kennen solltest: Ich bin Neville vom FBI. In deiner Jugend hast du, wenn ich das richtig behalten habe, drei- oder viermal vor dem Richter gestanden, weil ich so freundlich war, dich hinzubringen. Ich hoffe, du bist mir dankbar deshalb. Immerhin hast du dich jahrelang nicht um Essen und Trinken zu sorgen brauchen.«
Snipp verzog sein breites Gesicht mit den unwahrscheinlich dünnen Lippen, als hätte er versehentlich einen tüchtigen Schluck Essig in den Hals bekommen.
»Neville!« knarrte er wütend. »Mir bleibt heute aber auch gar nichts erspart! Was willst du hier? Ich führe einen ehrbaren Lebenswandel!«
»Ich will mit dir reden, Snipp. Gehen wir ’rein oder sollen wir das Gespräch hier draußen abwickeln?«
»Hast du einen Haussuchungsbefehl, Neville?«
»Nein.«
»Dann reden wir hier draußen.«
»Abgemacht«, nickte Neville. »Ich werde ein bißchen lauter sprechen, damit du mich auch noch verstehen kannst, wenn grade ein Auto vorbeifährt. Übrigens fällt mir da gerade die Geschichte ein, als ich dich drunten in Brooklyn —«
»Verdammt, komm ’rein!« brüllte Sniüp, krebsrot im Gesicht.
»Der gute, alte Snipp«, sagte Neville. »Wie ich ihn kenne, wird er uns sogar zu einem Whisky einladen, Phil. Er läßt sich nicht lumpen, der gute Snipp,«
»Ich bin nicht dein guter Snipp!« röhrte der ergraute, fett gewordene Gangster aus den zwanziger Jahren.
»Nein, für so einen Sohn würde ich mich auch bedanken«, erwiderte Neville.
Snipp führte sie in ein Wohnzimmer, dessen kleinbürgerliche Einrichtung Snipps Spießerseele deutlicher verriet als etwas anderes. An einer Wand hing eine Decke mit eingesticktem Spruch.
Aut der entsetzlichsten Fotomontage, die Phil je zu Gesicht bekommen hatte, schwebte ein Regenbogen über den Wolkenkratzern von Manhattan.
Phil schloß die Augen und vermied, sich weiter im Zimmer umzusehen.
Da sie keine Plätze angeboten bekamen, blieb Phil stehen. Neville dagegen setzte sich ohne Umstände in den einzigen Polstersessel, den es gab. Dabei deutete er noch gnädig auf einen der Holzstühle und sagte:
»Setz dich ruhig, Snipp. Du brauchst meinetwegen nicht stehenzubleiben.«
»Eines Tages zahle ich dir alles heim, Neville! Alles!« fauchte der alte Gangster.
»Darauf darf man nichts geben«, meinte Neville, zu Phil gewandt: »Das verspricht er mir schon seit mehr als dreißig Jahren.«
»Was, zum Teufel, willst du überhaupt hier, Neville?« schnarrte Snipp. »Du weißt genau, daß ich dich nicht sehen kann.«
»Dann mach die Augen zu«, sagte Neville und zuckte die Achseln.
»Wie wär’s, wenn wir mal zum Thema kämen?« schlug Phil vor.
»Kein schlechter Gedanke«, nickte Neville, der es aufgegeben hatte, sich weiter nach dem erhofften Whisky umzusehen. »Mit seiner Gastfreundschaft ist sowieso nichts los, also wollen wir Zusehen, daß wir hier bald wieder ’rauskommen. Snipp! Du bist natürlich nicht mehr der große Gangster, der du mal warst. Dazu hast du zu viele Jahre im Zuchthaus sitzen müssen, und das macht die stärksten Burschen fertig. Aber du hast doch garantiert noch deine Beziehungen und deine Kanäle in allen möglichen finsteren Ecken. Die wirst du mal für mich einsetzen.«
»Ausgeschlossen«, knarrte Snipp. »Ich verpfeife niemand!«
»Welche häßlichen Töne!« Neville schüttelte mißbilligend den Kopf. »Verpfeifen! Du sollst uns nur einen kleinen Tip besorgen. Und das tust du doch gern für deinen alten Freund, nicht wahr?«
»Am liebsten würde ich dir ein Messer in die Rippen rennen!« fauchte Snipp. »Damit du weißt, was ich gern täte! Also,
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