0175 - Die Kugeln tanzen Rock'n Roll
die ganze Geschichte nach. Wenn die Vorstellung von »Sweet Seventeen« plötzlich abgesagt würde, so musste Trag dahinterkommen, dass auch die zweite Darstellerin verschwunden war.
»Hören Sie zu, Miss Lona«, sagte ich. »Sie müssen etwas für uns tun. Zweifellos wird es Ihnen sehr schwer fallen, aber es geht nicht anders. Sie müssen erstens die Rolle der Janet weiterspielen und zwar als Margery Bean. Trag darf nicht merken, dass er einen Irrtum begangen hat.«
Sie blickte mich entgeistert an.
»Das kann ich nicht.«
»Sie müssen einfach. Es ist das Einzige, was Sie noch für Ihre Kollegin tun können. Denken Sie daran, dass Sie wenigstens moralisch die Schuld an ihrem Tod tragen. Sie werden in ein Hotel ziehen und zwar unter dem Namen Margery Bean. Die Regelung mit der Tante übernehme ich. Ich kann nicht verlangen, dass die Frau Sie in ihrem Haushalt aufnimmt, aber ich werde sie veranlassen, jedem zu sagen, ihre Nichte sei verzogen. Ich werde auch mit den Inspizienten des Broadway-Theater reden und ihn zum Schweigen verpflichten. Ihre Kollegen und Kolleginnen müssen Sie außerhalb der Bühne tunlichst aus dem Wege gehen. Das wird sich ja wohl machen lassen.«
Sie starrte vor sich nieder, und dann sagte sie: »Es geht nicht. Margery war verlobt. Ihr Bräutigam wird den Betrug sofort erkennen.«
Das war eine unerwartete Schwierigkeit.
»Wer ist der junge Mann?«
»Er heißt Peter Butler und ist Chemiker. Wo er arbeitet, weiß ich nicht.«
»Peter Butler, sagen Sie, und er ist Chemiker?«
»Ja, warum?«
Statt einer Antwort nahm ich den Hörer vom Telefon und wählte unsere Nummer. Dann verlangte ich das Laboratorium.
»Hier Cotton. Ist Mister Butler da?« Es stellte sich sehr schnell heraus, dass der bei uns angestellte Peter Butler der Verlobte Margery Beans war.
Das vereinfachte die Sache. Ich musste dem jungen Mann die Wahrheit sagen, aber die würde er ja doch erfahren. Natürlich tat ich das nicht am Telefon, sondern bat ihn, in einer halben Stunde zu mir zu kommen.
Somit war auch das geregelt. Sylvia Lona sträubte sich noch, aber es gelang mir, sie zu überreden.
»Ich werden Ihnen also ein Zimmer im ›Windermere‹ bestellen, in das Sie heute noch umziehen müssen. Geben Sie Acht, damit sie sich nicht verraten, aber schließlich sind Sie ja Schauspielerin und gewohnt, eine Rolle zu spielen. Ab heute sind Sie Margery Bean, die infolge des tragischen Todes von Sylvia Lona deren Rolle übernimmt. Sie werden ja die richtige Mischung von Trauer und Mitleid auf der einen Seite und Genugtuung auf der anderen Seite treffen. Sollte es unerwartete Schwierigkeiten geben, so setzen Sie sich sofort mit mir in Verbindung.«
Dann beeilten wir uns. Es war noch viel zu regeln. Phil, der das besser verstand als ich, würde mit der Tante, einer Mrs. Schiller, sprechen. Ich wollte mir den Inspizienten vornehmen.
Zuerst allerdings kam die Rücksprache mit Peter Butler, vor der ich mich im Stillen fürchtete. Es ist nicht so einfach, einem netten, verliebten jungen Mann die Nachricht zu überbringen, seine Braut sei irrtümlich ermordet worden.
Aber auch das ging vorüber, ebenso wie die Konferenz mit dem Inspizienten, der natürlich aus allen Wolken fiel, aber seine volle Mitwirkung zusagte. Ihm war die Hauptsache, dass der Schlager »Sweet Seventeen« weiter über seine Bretter gehen konnte. Es waren da noch einige Nebensachen, zum Beispiel die Instruktion für Sylvias Mädchen, dass sie bis auf Weiteres das Haus betreute.
Bevor wir zum Lunch gingen, meldeten wir uns bei unserem Chef Mister High und erstatteten Bericht.
»Der springende Punkt dürfte wohl die Wiederergreifung der ›Spinne‹ sein. Wenn Sie den Kerl erwischen, so wird alles andere keine Schwierigkeiten mehr machen«, sagte er. Natürlich hatte er recht, aber Trag war wie vom Erdboden verschwunden.
»Ich überlege mir schon den ganzen Morgen, ob ich nicht seine Frau nochmals besuchen soll«, überlegte ich. »Sie ist verschlagen, ausgekocht und geldgierig. Wenn sie nicht geschauspielert hat, so hasst sie ihren Mann. Was halten Sie davon, Chef?«
»Eine ganze Menge, aber hüten Sie sich. Die' Frau ist gefährlich, viel gefährlicher als Sie denken. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wovon sie lebt? Es scheint ihr doch ganz gut zu gehen.«
Das hatte ich nicht, aber ich würde versuchen, es herauszubekommen.
»Ich werde sehen, was sich tun lässt«, antwortete ich. »Vielleicht versuche ich sogar, mich mit ihr
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