0176 - Der Pestvogel
und her.
»Himmel…!«
»Keine Angst, wir wollen Ihnen nichts tun«, sagte ich.
Er starrte entgeistert auf meine Pistole. Ich ließ sie sinken.
»Was tun Sie hier?« fragte Vladek Rodensky.
»Ich kann die Sonne nicht so gut vertragen, deshalb ruhte ich mich im Schatten ein bißchen aus.«
»Wie lange?«
»Etwa zehn Minuten.«
»Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
»Nein. Was hätte mir auffallen sollen?«
»Ein großer schwarzer Vogel. Er muß hier irgendwo gelandet sein.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Vogel gesehen.« Er musterte uns mißtrauisch. »Sind Sie wirklich hinter einem Riesenvogel her?«
»Allerdings«, sagte der Brillenfabrikant.
»Darf ich mich Ihnen anschließen? Mein Name ist Katt. Zacharias Katt.«
Ich wollte ablehnen. Wir konnten Katt nicht brauchen. Er war zwar groß und kräftig, aber er hätte verloren, wenn es zum Kampf mit dem Totenvogel gekommen wäre, denn er besaß keine wirksamen Waffen gegen ihn.
Bevor ich Katt jedoch sagen konnte, er solle lieber zusehen, von hier wegzukommen, kam ein verstörter Mann angekeucht. Panik glitzerte in seinen Augen. Er rannte, als wäre der Teufel hinter seiner Seele her.
»O Gott!« schrie er immer wieder. »O mein Gott!«
Vladek Rodensky trat ihm in den Weg und hielt ihn auf. Der Mann blickte ihn verdattert an. »Gehen Sie mir aus dem Weg! Ich bleibe hier nicht!«
»Was ist los? Was hat Sie so sehr entsetzt?« wollte der Brillenfabrikant wissen.
»Pesttote!« schrie der Mann heiser. »Pesttote sind den Katakomben entstiegen!« Er stieß Vladek Rodensky beiseite und rannte bestürzt weiter.
***
Iris Jure war Grafikerin von Beruf. Eine selbständige junge Frau, blond und blauäugig, trotz ihrer fünfunddreißig Jahre immer noch gut gebaut, attraktiv und begehrenswert.
Sie achtete auf ihre Linie und ihr gutes Aussehen, betrieb regelmäßig Sport und suchte einmal im Monat einen bekannten Schönheitssalon auf. Es gab viele Männer, die ihr den Hof machten.
Einer davon war Robert Meisel, ein gutaussehender schwarzhaariger Typ mit blitzweißen Zähnen und einem strahlenden Lächeln, dem Frauen aller Altersklassen erlagen.
Iris Jure war zu ihm unterwegs, und sie war nervös, denn sie wollte sich mit ihm in einer Pizzeria nahe dem Stephansdom zu einer letzten Aussprache treffen.
Vor fünf Jahren hatte sie ihn auf einer Party kennengelernt. Sie war damals frisch geschieden gewesen und hatte wie eine Löwin um ihre beiden Kinder einen Jungen und ein Mädchen gekämpft.
Nach langem war sie wieder einmal unter Menschen gegangen.
Die Scheidung hatte sie unsicher und verletzbar gemacht, und sie hatte von Männern nichts mehr wissen wollen.
Robert Meisel war ihr vorgestellt worden. Sie hatte sich mit ihm gut unterhalten, als er aber gebeten hatte, sie wiedersehen zu dürfen, hatte sie abgelehnt.
Doch Robert war hartnäckig gewesen. Er hatte sie zu Hause und im Büro immer wieder angerufen, und als er sie in einer schwachen Stunde erwischte, hatte sie einem Rendezvous zugestimmt.
Einen Monat später waren sie zusammengezogen und hatten versucht, so etwas wie ein Familienleben zu führen, doch Robert kam mit den Kindern nicht klar. Vor allem der Junge, der unter der Trennung von seinem Vater immer noch litt, war frech zu Robert, und als dieser ihn deshalb verprügelte, kam es zum ersten Riß zwischen ihm und Iris, denn sie stand auf dem Standpunkt, wer sie liebe, der müsse auch ihre Kinder lieben.
In den nächsten beiden Jahren war das Zusammenleben recht wechselhaft. Manchmal klappte es einigermaßen, dann gab es wieder schwere Differenzen, und Iris Jure stand jedesmal zwischen Robert und den Kindern.
Auf die Dauer hielt sie das nicht aus. Es gab unschöne Szenen.
Robert verlangte, daß die Kinder in ein Internat kamen. Dagegen wehrte sich Iris aber, und so starb die neue Liebe zwischen ihnen von Tag zu Tag ein bißchen mehr. Bis nichts mehr davon übrigblieb.
Sie lebten nur noch nebeneinander, waren nicht verheiratet, und Robert hatte auch nie die Absicht, Iris zur Ehefrau zu nehmen. Es kam immer häufiger vor, daß er über Nacht wegblieb, und sie erfuhr, daß er sie laufend betrog.
Das veranlaßte sie vor einem halben Jahr, als sie depressiv und mit den Nerven ziemlich herunter war, sich in ein kurzes, heftiges Abenteuer mit einem Rechtsanwalt zu stürzen.
Robert erfuhr davon, machte ihr eine fürchterliche Szene und verdrosch sie so arg, daß sie den Hausarzt anrufen mußte. Das war das Ende ihrer Beziehung. Iris
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