0176 - Der Pestvogel
Kiefer aufeinander und quälte sich hoch. Vier, fünf Schritte. Die rettende Tür rückte näher.
Felix Emo hoffte, diese schrecklichen Attacken des Totenvogels zu überleben. Die gefiederte Bestie mußte irgendwie erfahren haben, daß er, Emo, Jagd auf sie zu machen gedachte. Oder war sie allwissend?
Noch einen Schritt.
Da schlitzten die Krallen des fliegenden Teufels den Rücken des Jacketts völlig auf. Der Stoff flog dem jungen Mann um den Kopf.
Schon wieder waren die schwarzen Schwingen über ihm. Das Tier schlug ihm die Krallen in die Schultern.
Felix Emo stieß einen markerschütternden Schrei aus.
Er brüllte um Hilfe, während der Totenvogel ihn niederdrückte.
An einigen Fenstern erschienen Menschen. Sie bekamen den letzten Akt des Dramas vollinhaltlich mit.
»Polizei!« schrie jemand mit schriller Stimme. »Ruft die Polizei an!«
Emo konnte sich dem gewaltigen Druck des Riesenvogels nicht widersetzen. Das Tier preßte ihn mit seinem Körpergewicht nach unten. Emo ging in die Knie. Sein Gesicht war von der enormen Anstrengung verzerrt und gerötet. Fingerdick glänzte der Schweiß darauf.
»Hiiilfeee!« schrie er. Gleichzeitig aber wußte er, daß ihm niemand mehr helfen konnte. Er hatte verloren.
Eine Schmerzwelle überflutete ihn, als er auf die Granitplatten fiel. Der gnadenlose Totenvogel drehte ihn gewaltsam um. Ein trüber Schleier legte sich über Felix Emos Augen.
Er hätte auf Dr. Fochler hören und noch im Krankenhaus bleiben sollen. Jetzt wußte er, daß es ein Fehler gewesen war, die Klinik auf eigene Verantwortung zu verlassen, doch er hatte keine Möglichkeit mehr, diesen Fehler zu korrigieren.
Der schwere Totenvogel saß auf ihm. Ein triumphierendes Krächzen war das Letzte, was Felix Emo hörte. Dann stieß der gnadenlose Vogel mit seinem schrecklichen Schnabel zu und riß Emo die Seele aus dem Leib, denn mit ihrer Hilfe konnte ein weiterer Pesttoter zu neuem Leben erweckt werden.
***
Sobald die Seele dem Totenvogel gehörte, hob er sich mit kraftvollen Flügelschlägen in die Lüfte. Niemand konnte verhindern, daß er verschwand, aber zum erstenmal hatten Menschen mit angesehen, wie er grausam gemordet hatte.
Diese Meldung wurde unverzüglich an Inspektor Fuchs weitergeleitet. Der Beamte knallte den Hörer auf die Gabel und sprang auf. Ein Teil des Rätsels war gelöst. Es war nun bekannt, wer die schrecklichen Morde verübte. Aber Gotthard Fuchs hatte keine Ahnung, woher dieser Schreckensvogel kam, und er wußte auch nicht, wie er ihn bekämpfen sollte.
Er stieß die Tür zu einem Nebenraum auf. »Strobl!«
Sein Assistent war sofort zur Stelle. »Ja, bitte?«
»Emo ist tot.«
Der Assistent blickte seinen Vorgesetzten verblüfft an. Er selbst hatte Felix Emo vor einer halben Stunde erst zum Inspektor geführt.
»Was ist ihm zugestoßen?« fragte er.
»Emo wollte diese mysteriösen Mordfälle aufklären. Aber ehe er damit noch beginnen konnte, mußte er diesen Entschluß bereits mit dem Leben bezahlen.« Fuchs berichtete dem Assistenten, auf welche schreckliche Weise der junge Mann sein Leben verloren hatte. Dann verlangte der Inspektor: »Besorgen Sie einen Wagen. Wir fahren zum Tatort.«
»Ist gut«, sagte Peter Strobl, eilte zum Telefon und sprach mit dem zuständigen Kollegen.
***
Während die beiden Polizeibeamten dann zur Berggasse unterwegs waren, flog der schwarze Totenvogel mit der erbeuteten Seele majestätisch über die Dächer Wiens.
Er wurde immer dreister. Bis jetzt hatte er so unauffällig wie möglich operiert. Er hatte aus der Dunkelheit heraus zugeschlagen und war gleich wieder verschwunden.
Doch nun wollte er sich nicht mehr verstecken. Das Böse war unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Einige Pesttote lebten bereits, und es würden in den nächsten Tagen und Wochen immer mehr werden.
Niemand würde das verhindern können. Auch nicht der Geisterjäger John Sinclair, der eigens deshalb nach Wien gekommen war. Der Yard-Mann würde hier endlich einmal Schiffbruch erleiden. Er würde diesen Fall nicht erfolgreich abschließen, dafür wollte der Totenvogel sorgen.
Es gab Mittel und Wege, um auch einen John Sinclair, der auf eine große Erfahrung im Kampf gegen die Höllenmächte zurückblicken konnte, fertigzumachen. Diesmal sollte dem Engländer kein Sieg mehr beschieden sein.
Er würde die erste schlimme Niederlage in seiner beispiellosen Karriere einstecken müssen. Eine Niederlage, die mit John Sinclairs Tod enden sollte. Auch seine Seele würde
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