018 - Die Vampirin Esmeralda
Wein besonders lautstark die Kehle hinuntergurgeln. Als der junge Mann mit dem fiebrigen Blick wieder zu toben begann, wurde er mit Jauche übergossen.
Aber das war alles harmlos gegen den Empfang, den ihnen die Bewohner von Cordoba boten. Kuriere waren vorausgeeilt und hatten das Eintreffen eines Hexentransportes verkündet. Die Bürger strömten aus allen Teilen der Stadt zusammen und bildeten entlang der Straßen, durch die der Ochsenwagen kam, ein dichtes Spalier.
Die Schaulustigen hatten sich mit Stöcken und Ruten bewaffnet und schlugen damit auf die Gefangenen ein. Sie bewarfen sie mit Steinen, faulem Obst und Gemüse; dem wurde erst Einhalt geboten, als ein Stein einen der Soldaten traf.
Esmeralda wurde das Opfer eines besonders boshaften Bürgers, der ihr den Inhalt eines Kübels Unrat zudachte.
Obwohl es vom Beginn der Puente Romana, der römischen Brücke über den Guadalquivir, bis zum Alcazar, in dem das Inquisitionstribunal seinen Sitz hatte, nur wenige hundert Meter weit war, schien es Esmeralda eine Ewigkeit zu dauern, bis sie diese Strecke zurückgelegt hatten. Sie atmete direkt erleichtert auf, als sich das schwere Tor des Alcazar Nuevo hinter ihnen schloß und die sensationslüsterne Menge aussperrte; und es war eine Erlösung für sie, als der Wagen endlich anhielt. Der Kerkermeister verlas ihre Namen, woraufhin sie einer nach dem anderen von den Fesseln befreit und ins Verlies gebracht wurden. Esmeralda empfand nach der Hitze des Tages die Kühle innerhalb der feuchten Felswände als Labsal. Es tat ihr gut, die Waden gegen die feuchtkalten Wände zu drücken und sie so zu kühlen, und sie freute sich auch schon auf ihr Strohlager, auf dem sie endlich ausruhen konnte.
Sie kamen in einen Raum mit Zellentüren, die so niedrig waren, daß sich selbst Esmeralda bücken mußte, um sich den Kopf nicht anzustoßen. Sie wurde von den anderen abgesondert und bekam eine Zelle für sich allein. Was als besondere Härte gewertet wurde, empfand sie als Erleichterung. Sie war froh, nicht mit den Teufelsanbetern zusammengepfercht zu werden. Es gab kein Stroh, aber nicht einmal das störte sie im Augenblick. Irgendwann übermannte sie die Müdigkeit, und sie schlief auf dem nassen Steinboden ein.
Zwei Tage später wurde sie zum ersten Verhör geholt.
Sie besaß nur eine lückenhafte Erinnerung an diese zwei Tage ihrer Gefangenschaft. Sie hatte in einem ohnmachtsähnlichen Schlaf dagelegen. Zwischendurch war sie immer wieder hochgeschreckt, weil sie glaubte, die Schreie der Gefolterten zu hören, aber sie konnte nicht sagen, ob sie das alles vielleicht nicht nur geträumt hatte.
Dagegen war sie sicher, daß sie einige Male von Soldaten geweckt worden war, die ihr etwas zu Essen brachten: einen Napf mit irgendeiner stinkenden Flüssigkeit oder einem Brei, in dem sich irgendwelches Ungeziefer bewegte. Sie hatte keinen Bissen runtergebracht, was die Soldaten dazu veranlaßte, den Inhalt der Näpfe einfach in eine Ecke zu leeren; die Ratten taten sich gütlich daran.
Da es in ihrem Kerker keine Öffnung gab, durch die ein Lichtstrahl fallen konnte, schloß sie geblendet die Augen, als die Tür geöffnet wurde und jemand mit einer Fackel eintrat.
»Los, aufstehen, Hexe!« wurde sie im Spanisch des beginnenden sechzehnten Jahrhunderts aufgefordert. »Du sollst dem Tribunal zu einem ersten Verhör vorgeführt werden.«
Da es ihr unmöglich war, aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen, wurde sie von zwei Soldaten in die Mitte genommen und hinausgeführt. Man brachte sie in einen Raum, wo mehrere Soldaten um einen rohen Holztisch saßen, becherten und schmatzten. Ihr wurde ganz schlecht, als der Duft der Speisen und der Geruch von Wein ihr in die Nase stieg; und als man dann eine Schüssel mit einem Eintopf vor sie hinstellte und sie aufforderte zu essen, krampfte es ihr den Magen zusammen. Sie hätte sicherlich keinen Bissen aus eigener Kraft runtergebracht, aber ein Soldat hielt ihr den Kopf, während der andere ihr den Brei mit der Hand in den Mund stopfte.
Ihr Magen konnte die ungewohnte Speise aber nicht lange behalten. Sie übergab sich und wurde dafür geschlagen. Nachdem sie sich entleert hatte, fühlte sie sich sonderbarerweise besser, und als man ihr eine zweite Schüssel hinstellte, aß sie mit Heißhunger. Danach warf man ihr ein Kleid zu, das der einfachen Bauerntracht dieser Zeit entsprach.
»Da, mach dich schön! Die Hexe, die das Kleid vor dir getragen hat, braucht es jetzt nicht
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