0181 - Totenchor der Ghouls
Unterhosen zur Seite, und ihre suchende Hand glitt über kühles Metall.
Das war sie.
Sheila hatte in ihrem Leben schon öfter eine Waffe in der Hand gehalten und auch geschossen. Am Anfang wollte sie nicht so recht, aber Bill hatte ihr alles erklärt, und sie war nur widerwillig damit einverstanden gewesen.
Jetzt allerdings war sie froh darüber, die Waffe zu haben. Im Haus brannte überall Licht. Nur im Keller nicht, denn dort wollte Sheila hin, um die Tür zu verschließen.
»Du bleibst oben an der Treppe«, sagte sie zu ihrem Sohn, knipste das Licht an und lief die Stufen hinab.
Kahle Betongänge. Rechts ging es noch einmal zu einem kleinen Pool. Das Becken für den Winter. Aber da wollte Sheila nicht hin.
Der Trockenkeller mit der Waschmaschine war ihr Ziel.
Sie passierte auch den Raum unter der Treppe. Dort hatte sich John Sinclair versteckt gehalten, als das Haus von Destero und Asmodina besetzt worden war. Und es war auch noch ein Ghoul aus der anderen Dimension mit hineingeschleppt worden. John hatte darüber erzählt. In diesem Augenblick fiel es Sheila Conolly wie Schuppen von den Augen. Den Ghoul hatten sie nie gefunden und gedacht, er wäre irgendwie mit eingegangen.
Es war eine Täuschung, wie sich jetzt herausstellte. Den Ghoul gab es sehr wohl noch. Er hatte auf schlimme Art und Weise seine Existenz bestätigt.
Vor dem Waschraum blieb Sheila für einen Moment stehen. Die Zeit drängte, und sie hatte Angst. Zur Treppe hin besaß der Waschraum ein Fenster, so daß man die Stufen sehen konnte, wenn man den Raum betrat und dabei nach rechts schaute.
Sheila sah sie, und sie sah den Ghoul!
Der widerliche Dämon hatte seine Chance erkannt und schlich die Treppe hinab.
Sheila raffte all ihren Mut zusammen. Sie lief noch zwei Schritte vor, drehte sich dann, so daß vor ihr das kleine Fenster lag, und hob beide Arme.
Das rechte Gelenk stützte sie mit der linken Hand ab. Sie kannte den Rückstoß der Waffe und mußte achtgeben, daß der Lauf nicht hochschlug, wenn sie schoß.
Der Ghoul kam.
Sie sah nur seinen Unterkörper, aber mit jeder Stufe war mehr von ihm zu sehen.
Sheila zielte. Dabei zitterte sie. Sie brachte es einfach nicht fertig, ruhig zu sein. Zu stark war die Anspannung, und sie hatte Angst um ihren Sohn.
Noch eine Stufe ließ sie ihn kommen.
Dann drückte sie ab.
Es hallte laut in dem Waschraum wider. Das Schußecho jagte von Wand zu Wand, die Scheibe zersplitterte, als die Silberkugel durchschlug, und der Ghoul zuckte zurück.
Hatte sie getroffen?
Zwei Sekunden vergingen. Sie tropften zäh dahin.
Dann sah Sheila den Ghoul.
Er zog sich zurück.
Und Sheila sah den Kratzer in der Mauer an der Treppe, wo das Geschoß gegengeprallt war.
Sheila Conolly hatte den Ghoul verfehlt!
Sie stand da, schluckte und hielt die Waffe noch immer umklammert sowie die Arme ausgestreckt. In ihrem Innern tobte die Verzweiflung. Sollte es ihr denn nicht möglich sein, diesen verfluchten Dämon abzuschießen?
Ihre Augen schwammen plötzlich in Tränen, und langsam ließ sie beide Arme sinken.
»Mummy?« hörte sie die leise Stimme ihres Sohnes. »Bist du da, Mummy?«
»Ja, ja, mein Schatz!« flüsterte Sheila und wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Ist der andere auch noch da?«
Sheila gab keine Antwort. Dafür hörte sie das widerliche Schlürfen des Ghouls, und ein kalter Schauer rann über ihren Rücken. Er war noch da.
Und wie!
Seine Klaue tauchte an der zerbrochenen Fensterscheibe auf. Sie stieß in die noch im Kitt des Rahmens hängenden Scherben hinein, ohne sich zu verletzen.
Sheila erschauderte. Endlich ging sie zurück und sah zu, daß sie in die Nähe ihres Sohnes kam.
Johnny schluckte. »Kommt er?« fragte er leise.
»Ich hoffe, nicht.«
»Warum schießt du nicht?«
Als Antwort strich Sheila ihrem Sohn über das Haar und mußte zusammen mit ihm den zweiten Versuch des Ghouls mit ansehen, das Haus zu betreten.
Er wollte durchs Fenster.
Flach wie eine Flunder hatte er sich gemacht. Die schleimige Masse lag schon zum Teil auf der Fensterbank, auch ein Arm sowie die Klaue waren zu sehen.
Sheila sah ihre Chance.
»Bleib du hier!« flüsterte sie Johnny zu und schlich geduckt vor.
Der Blick war starr auf den Ghoul gerichtet, die Lippen hatte sie aufeinandergepreßt, und nun senkte sie auch noch die rechte Hand mit der Beretta.
Sie konnte nicht vorbeischießen.
Es war ein Fehler des Ghouls gewesen, sich platt zu machen und so eine größere Zielfläche zu
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