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0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

0183 - Der Mann, der das Grauen erbte

Titel: 0183 - Der Mann, der das Grauen erbte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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placiert, daß ihr Strahl den Trümmerberg in einem scharf umrissenen Kreis beleuchtete. »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, mich da durch wühlen zu müssen«, gestand er.
    Clavers zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Das wird schon«, sagte er. »Komm - laß uns anfangen. Desto eher sind wir fertig.« Er bückte sich, löste die Spitzhacke aus dem Werkzeugbündel, das sie mühsam hergeschleppt hatten, und machte sich mit grimmiger Entschlossenheit an die Arbeit.
    Sie kamen besser voran, als Berens geglaubt hatte. Das Hindernis bestand fast nur aus losen Steinen und einem, krümeligen Schutt, der den Schlägen der beiden kräftigen Männer kaum Widerstand entgegensetzte. Nach einer knappen halben Stunde standen sie bis zu den Knien in Staub und lockerem Kies, aber der Schuttberg vor ihnen war merklich kleiner geworden.
    Clavers ließ seufzend die Hacke sinken, griff unter sein Hemd und förderte einen silbernen Flachmann zutage. »Auch einen?«
    Berens lehnte ab. Er trank selten, und bei der Arbeit schon gar nicht. »Dieses Zeug wird dich noch einmal umbringen«, sagte er stimrunzelnd.
    Clavers grinste, setzte die Flasche an und trank. »So!« sagte er. Die Flasche war halb geleert. »Auf zum Endpsurt.« Er hob die Spitzhacke, ließ sie wuchtig auf einen besonders großen Stein krachen und wäre vomübergestürzt, wenn Berens ihn nicht gehalten hätte. Stein und Spitzhacke verschwanden polternd in einem metergroßen Loch, das plötzlich in der Barriere entstanden war.
    »He!« sagte Clavers. »Das ging ja schneller, als ich geglaubt habe.« Er schüttelte Berens Arm ab, beugte sich vor und begann mit bloßen Händen im Gestein zu wühlen. »Komm«, keuchte er aufgeregt. »Hilf mir.«
    Sie griffen beide zu, und nach wenigen Augenblicken hatten sie den Durchgang so weit freigeschafft, daß sie bequem in den Gang eindringen konnten.
    Muffige, verbrauchte Luft schlug ihnen entgegen. Clavers hob die Taschenlampe auf und ließ den Strahl in den Tunnel fallen. Das Licht fiel auf glänzende, gerundete Wände, tastete über den Boden und verlor sich irgendwo in der Dunkelheit am Ende des Ganges. »Was - was ist denn das?« flüsterte Clavers verwirrt. Sie hatten erwartet, eine Fortsetzung der Treppe vorzufinden, aber der Anblick, der sich ihnen bot, war vollkommen fremdartig. Es war keine Treppe, nicht einmal ein Gang. Der Tunnel erinnerte eher an das innere eines Kanalisationsschachtes; ein runder, vollkommen glatter Tunnel, der steil in die Tiefe führte. Die Wände sahen aus, als bestünden sie aus poliertem Metall. Es gab keine Stufen, keine Vorsprünge an den Wänden oder der Decke, an denen sich ein Mensch hätte festhalten können; nichts.
    »Ich möchte wissen, was das ist?« flüsterte Berens.
    Clavers zuckte mit den Achseln. »Ich möchte viel lieber wissen, wie wir dort hinunterkommen sollen«, murrte er. »Allmählich begreife ich, weshalb dieser Brown sich die Schwarte nicht selbst holt.« Er kratzte sich am Kinn, spuckte aus und trat wütend nach einem Stein. »Hol das Seil aus dem Wagen«, sagte er.
    Berens zögerte. »Du willst wirklich da runter?«
    »Warum nicht? Der Gang kann nicht tief sein. Ich binde mir das Seil um, und du läßt mich runter. Ist doch ganz einfach.«
    Berens nickte zögernd. »Wenn du meinst…«
    »Ich meine überhaupt nichts«, zischte Clavers giftig. »Aber du bist doch genauso scharf auf die zweihundert wie ich, oder? Also los. Hol das Seil.«
    Berens drehte sich zögernd um. Der Gang dort unter ihnen war ihm unheimlich. Die glatten, spiegelnden Wände waren nicht normal. Ein Tunnel wie dieser hatte kein Recht, in einem zweihundert Jahre alten Haus zu sein.
    Berens atmete erleichtert auf, als er wieder an der Oberfläche war. Es war mittlerweile vollkommen dunkel geworden. Eine schmale Mondsichel verbreitete ein schwaches Licht, und vom Seeufer her wehte eine kühle, erfrischende Brise. Berens hatte das Gefühl, hier oben freier atmen zu können. Obwohl es hier oben fast genauso finster war wie am Grunde des Treppenschachtes, schien ihm die Finsternis hier oben freundlicher; beschützend. Es war eine normale Dunkelheit, ein Bestandteil der Natur, in der er aufgewachsen war. Das dort unten war… falsch. Berens schauderte, als er an die wattige, lichtfressende Dunkelheit am Ende des Tunnels zurückdachte. Das war nicht einfach die Abwesenheit von Licht, das war etwas anderes etwas… Fremdes, Bedrohliches, das nicht in diese Welt gehörte. Der Strahl der Lampe war nicht

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