0183 - Der Mann, der das Grauen erbte
die Bestie war schneller. Zwei, drei der kraftvollen, langen Tentakel ringelten sich um seine Fußgelenke und brachten ihn zu Fall. Er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, aber gegen die Kraft des Ungeheuers wirkten seine Bewegungen beinahe lächerlich. Er stieß einen hohen, spitzen Schrei aus, wälzte sich mühsam auf den Rücken und trat mit dem freien Fuß nach dem Körper des Monstrums.
Shudde-mell wälzte sich behäbig näher. Weitere Tentakel schlangen sich um Jakobsons Körper Und erstickten seinen Schrei.
***
»Was macht ein aufgeweckter junger Mann wie Sie in einem solchen Saftladen«, fragte Bill geradeheraus. Sie waren noch eine halbe Autostunde von Kilmarnock entfernt. Der Motor des gemieteten Bentley grollte zufrieden. Nicole lenkte den Wagen selbstsicher über die ausgefahrenen Wege, die in die kleine Ortschaft am Rande des Gebirges hinaufführten. Ab und zu wurden sie durchgeschüttelt, wenn der Wagen durch ein besonders tiefes Schlagloch hüpfte; aber nach allem, was Martens erzählt hatte, hatten sie Schlimmeres erwartet. Der Weg war schmal und in einem schrecklichen Zustand, aber der schwere Wagen wurde spielend damit fertig. Und Nicole war eine ausgezeichnete Fahrerin.
»Der Eindruck täuscht vielleicht«, sagte Martens nach einer Weile. Er saß neben Bill auf der Rückbank und kaute auf einer erkalteten Pfeife herum. Sie paßte nicht zu seiner Erscheinung. Er lächelte flüchtig. »Die meisten Besucher, die Mr. Leroy das erste Mal sehen, denken, daß er leicht verrückt ist«, erklärte er ernsthaft. »Aber das stimmt nicht. Der Alte ist ein ganz gerissener Fuchs. Wenn Sie mich fragen, dann benimmt er sich absichtlich wie ein Trottel.«
»Das habe ich gemerkt«, sagte Zamorra. Er drehte sich halb auf dem Beifahrersitz herum. »Er hat Sie nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit mitkommen lassen.«
»Bestimmt nicht«, antwortee Martens. »Seit Celhams Tod wartet er auf eine Gelegenheit, die Sache auszuschlachten.«
»Und jetzt denkt er, daß wir ihm dabei helfen?« fragte Bill.
Martens drehte den Kopf hilflos hin und her. »Es ist immer sehr schwer, zu erraten, was Mr. Leroy denkt«, antwortete er ausweichend. »Aber ich bin sicher, daß er mich gründlich ausquetschen wird, wenn ich zurück bin - wie lange wollen Sie überhaupt bleiben?«
»Nicht lange«, antwortete Zamorra. »Ich hoffe, daß wir morgen um diese Zeit schon wieder auf dem Rückweg sind. Ich möchte mir bloß das Haus ansehen.« Er drehte sich wieder herum und starrte auf die gewundene Straße hinaus. Er war unruhig, eine mit rationalen Mitteln nicht zu begründende Unruhe, die von ihm Besitz ergriffen hatte seit sie aus dem Flugzeug gestiegen waren. Er ahnte, daß in dem kleinen Nest in den Bergen mehr auf ihr wartete als eine verfallene Hausruine. Er hatte den Ruf nicht vergessen, den er bei der Lektüre des Buches vernommen hatte. Celham hatte vor seinem Tod irgend etwas in diese Welt gerufen, was nicht hierher gehörte.
»Sie haben überhaupt Glück, daß Sie mich dabeihaben«, sagte Martens in scherzhaftem Ton.
»Wieso?«
»Oh, die Leute dort oben sind manchmal etwas… äh, seltsam. Sie sind allen Fremden gegenüber mißtrauisch, sozusagen aus Tradition. Sie würden wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, auf eigene Faust irgend etwas herauszubekommen.«
»Und da konnte Celham einfach so einziehen?« fragte Bill zweifelnd.
»Er war einfach da«, erklärte Martens. »Ich glaube, er hat das Haus über einen Makler angemietet. Außerdem haben die Leute ihn so gut wie nie zu Gesicht bekommen - ich sagte ja schon, daß er ein Eigenbrötler war. Wollen Sie gleich zur Ruine hinausfahren?«
»Nein. Es ist schon ziemlich spät. Ich denke, wir suchen uns Zimmer und gehen morgen in aller Frühe los. Gibt es ein Hotel in Kilmarnock?«
Martens lachte glucksend. »Nein. Es gibt ein Gasthaus, aber da kann man nicht übernachten. Aber Sie können bei mir schlafen.«
»Bei Ihnen?«
»Bei meinen Eltern«, verbesserte sich Martens. »Sie wohnen etwas außerhalb, aber das Haus ist groß genug. Ich glaube, sie werden sich freuen, daß ich Besuch mitbringe. Es ist manchmal sehr einsam dort oben, wissen Sie.«
Zamorra nahm das Angebot dankend an. Es war eigentlich nicht seine Art, sich bei wildfremden Leuten einzuquartieren, aber die Vorstellung, zu dritt im Wagen übernachten zu müssen, behagte ihm noch weniger.
Für den Rest der Fahrt versank er in Schweigen. Bill unterhielt sich auf dem Rücksitz angeregt mit Martens, und
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