0183 - Schüsse aus dem Geigenkasten
Koksbergen, war alles leer. Kein Mensch war in Sicht, weder ein Wächter noch ein Hund.
Neville öffnete seinen Kasten, legte ihn vorsichtig auf ein paar Bretter und nahm zärtlich, wie eine Mutter ihren Säugling, die Maschinenpistole heraus. Es war nicht schwer, geduckt an das einstöckige Haus heranzukommen, aber es schien unmöglich, hineinzugelangen.
Die Haustür war aus Eisen und hatte ein-Yale-Schloss. Da half auch kein Dietrich. Wir schlichen rundherum. Alle Fenster waren vergittert, mit Ausnahme eines winzigen, und das war verzweifelt klein.
Ich schleppte eine Kiste heran und versuchte durchzublicken, es war jedoch so schmutzig, dass mir das nicht glückte.
»Geh mal da runter, Kleiner«, sagte mein Kamerad, drückte mir dann die MP in die Hand und kletterte selbst hinauf.
Jetzt erst schätzte ich mich wirklich glücklich, den alten Neville mitgenommen zu haben. Er drückte ein Stück Kitt gegen die Scheibe, nahm das Taschenmesser aus der Hosentasche und Heß ein Teil davon aufspringen. Wie ich sehr schnell bemerkte, war es ein Glasschneider.
Er zog einen Kreis rund um den Klumpen Kitt. Es knirschte. Er reichte mir das herausgeschnittene Stück herunter, griff hindurch, und dann war das Fenster offen.
Mit einer Gewandtheit, die ich ihm nicht zugetraut hätte, quetschte er sich hindurch, und ich folgte ihm. Wir standen in einem Raum, der früher mal eine Küche gewesen sein konnte. Von da ging es zwei Stufen hoch und einen Gang entlang. Es war dunkel. Ich schützte die Taschenlampe mit vorgehaltener Hand, und während wir langsam weiterschlichen, hörten wir Männerstimmen.
Noch klangen sie weit weg, aber als wir eine kurze Treppe hinter uns hatten, sahen wir einen Lichtschein aus einer halb offenen Tür und verstanden die Worte. Zwei Männer spielten Karten.
Dann waren wir angekommen. Vorsichtig spähte ich nach drinnen. Es war ein großer, fast leerer Raum. Es gab nur einen Tisch und vier Stühle, von denen zwei besetzt waren. Auf der einen Hälfte des Tisches standen die Reste einer Mahlzeit, Brot, Schmalz, Wurst und eine Flasche, die einmal Gin enthalten hatte. Auf der anderen Seite saßen die beiden Männer und spielten.
Genau in der Mitte des Tisches aber ruhte die typische Gangsterwaffe, die ich schon mal am gleichen Tag in der Kneipe von Dicky Smell gesehen hatte. Eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf.
Die beiden Gangster, denn das waren sie bestimmt, konnten ihre südländische Abkunft nicht verleugnen. Der eine hatte eine eingeschlagene Nase und der zweit eine Narbe über der linken Wange, die nur von einem Messer stammen konnte. Es waren finstere Gestalten.
Neville war neben mich getreten und stieß mich an. In diesem Augenblick klingelte ein Fernsprecher, den ich nicht gesehen hatte, weil er auf der Erde stand. Die breite Nase bückte sich und hob den Hörer auf.
»Okay«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung. Ich habe mich gerade nach ihm umgesehen. Ja… Ja… Alles in Butter.«
Damit legte er auf.
Wäre es nach mir gegangen, hätte ich einfach »Hände hoch«, befohlen, und damit wäre die Sache erledigt gewesen. Neville jedoch stach der Hafer. Er legte seine MP auf den Fußboden, stieß die Tür auf und machte ein paar schnelle Schritte. Dann flogen Schrotflinte, Flasche und Essenreste vom Tisch.
Die beiden Kerle waren aufgesprungen. Sie hielten immer noch ihre Karten in der Hand. Offenbar dachten sie, sie hätten Besuch von Kollegen bekommen.
»Was wollt ihr?«, fragte der eine mit einer Stimme wie ein heiseres Dromedar.
»Gar nicht viel«, grinste ich und ließ meine Waffe stecken. »Ich suche ein Mädchen und einen Mann, die beide gekidnappt wurden. Ein-Vögelein hat mir gepfiffen, ich'könne sie hier abholen.«
»Du bist verrückt«, war die Antwort. »Und wenn ich schon was davon wüsste, würde ich es dir auch nicht auf die Nase binden.«
»Mir auch nicht?«, knurrte Neville und kam bedrohlich näher. »Wie steht’s denn um euren Auftraggeber, Mr. Plump. Oder heißt er wieder mal anders? Der Bursche ist so feige, dass er uns dauernd davonläuft, und darum halten wir uns an euch.«
»Hast du Lust, Prügel zu beziehen?«, sagte Messemarbe und ging in Boxerstellung. »Du willst wohl frech werden?«
Das war das Signal für Neville. Ich sah noch, wie er zu einem sehr wirkungsvollen Hieb ausholte, konnte aber nicht weiter beobachten, weil der andere wie eine Lokomotive auf mich zuschoss.
Na, ein bisschen verstehe ich ja auch davon. Ich tat einen Schritt zur Seite und
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