0184 - Für jedes Grinsen eine Kugel
es mir geht, werden sicher auch Ihnen zu Ohren gekommen sein, Mister Eather.«
»Nämlich?«
Front zog seinen Finger zurück und hob ruckartig den Kopf. Er sah dem alten Mann mit den verhärmten Gesichtszügen direkt in die Augen, und es fiel ihm auf, daß Eathers Blick auswich.
»Es handelt sich um das Rackett, das sich in diesem Viertel breitgemacht hat. Was können Sie mir von dieser Bande erzählen, Mister Eather?«
Eine Weile blieb es still. Eathers leise pfeifender Atem war zu hören.
»Ein Rackett?« wiederholte Eather nach einer Pause. »Eine richtige Bande?«
»Jawohl, Mister Eather! Tun Sie doch um Himmels willen nicht so, als hätten Sie noch nichts davon gehört! Ich wette ein Jahresgehalt von mir gegen den Kaffeerest in dieser Tasse, daß Sie genau wissen, wovon ich rede.«
»Das ist ein Irrtum«, widersprach der alte Mann. »Ich höre zum ersten Male davon, Mister Front. Aber wenn es so ist, wäre es dann nicht besser, Sie würden sich mit der Polizei in Verbindung setzen?«
»Die Polizei!« stöhnte Front. »Die Polizei k?nn nichts unternehmen, wenn kein Mensch bereit ist, gegen die Bande zu zeugen!«
Er redete eine gute halbe Stunde lang auf Eather ein, ohne daß er den Alten hätte von dem Standpunkt abbringen können, daß er von nichts wüßte. Ärgerlich und wütend zugleich griff Front schließlich nach seinem Hut.
»Verraten Sie mir noch, wer Sie hier so fertiggemacht hat«, bat er.
»Mich? Oh, das waren meine Magengeschwüre. Ich hatte einen Schmerzanfall, der mich um den Verstand brachte.«
Die Lüge war geschickt überlegt, aber so ungeschickt vorgetragen.
»Wie ihr wollt!« knurrte Front. »Dann laßt euch weiter ausplündern, mißhandeln und terrorisieren, wenn ihr zu feige seid, den Mund aufzumachen! Wahrscheinlich seid ihr es gar nicht wert, daß man sich euretwegen die Schuhsohlen abläuft!«
Zornschnaubend verließ er die Wohnung des alten Mannes, eilte die Treppen hinunter und hastete die Straße entlang. Er war so aufgebracht, daß er den resedagrünen Ford nicht bemerkte, der vor dem Haus auf sein Erscheinen gewartet hatte und ihm nun folgte.
***
In der Wachstube traf Ray Norton mit Tonio Bastiani zusammen, der ebenfalls verspätet von seiner Streife zurückgekommen war.
»Mama mia!« rief der quicklebendige Kerl aus, als er Norton eintreien sah. »Wie siehst du aus, Baby?«
Norton blickte in den Spiegel, der links an der Wand hing. Sein Kinn konnte eine Stelle aufweisen, in der sämtliche Farben des Regenbogens vorhanden waren. Außerdem hatte er noch ein paar kleinere Flecken, Platz- und Rißwunden.
Natürlich mußte er erzählen. Er fing mit seiner Auseinandersetzung an, die er mit Snucky gehabt hatte.
»Nur Ohrfeigen!« rief Bastiani. »Habt ihr das gehört? Nur Ohrfeigen! Oh, warum bin ich bloß nicht dabeigewesen! Nur Ohrfeigen für Mister Raint junior!«
Er führte vor Begeisterung eine Art Freudentanz auf. Norton berichtete weiter in knappen Worten. Als er Bulle erwähnte, verdrehte Bastiani die Augen.
»Baby, du hast Glück gehabt!« stellte er fest. »Unheimlich viel Glück! Wenn Bulle aufgezogen ist, läuft er ab wie ein Uhrwerk, und es gibt nichts, was ihn daran hindern kann. Mich wundert es, daß er doch nicht totgeschlagen hat!«
»Lines sagte, er hätte es versucht. Mit einem Stuhl, als ich schon ko. war. Aber Klinger hätte ihm den Stuhl weggenommen.«
»Klinger? Wer ist Klinger?« fragte Bastiani.
»Der Kellner von Lines.«
»Oh, Mister Dandy!« nickte Bastiani. »Der will Bulle einen Stuhl weggenommen haben?« Bastiani schüttelte ungläubig den Kopf.
»Lines sagte es«, beharrte Norton. »Lines sagt so viel, wenn der Tag lang ist«, winkte Bastiani ab. »Darauf mußt du nichts geben. Vielleicht hat er selber den Gorilla aufgehalten. Das glaube ich noch eher. Wie man hört, soll Lines der einzige Mensch sein, auf den Bulle hört. Aber zeig mal die Liste von den jungen Leuten, die du aufgeschrieben hast!«
»Warum?«
»Ich will sie mir mal ansehen!« Norton holte sein Notizbuch hervor und gab es Bastiani. Der las die Namen,: und ab und zu hörte man:
»Ach, sieh an, der auch!«
»Kennst du die Burschen?« fragte: Norton.
»Die meisten. Es sind alles keine Jun- gens, die ich gern in der Gesellschaft meines Sohnes sehen würde — wenn ich einen Sohn in diesem Alter hätte. Viele von ihnen waren schon in Erziehungsanstalten. Natürlich sind sie dadurch nicht besser geworden. Hat schon einer einen Jungen gesehen, der in einer
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