0186 - Die Blutorgel
zurücklassen.
»Sie machen sich Sorgen um Ihren Freund, nicht wahr«, sagte sie plötzlich.
»Nicht mehr als sonst. Ich kenne ihn. Vielleicht hat er eine Kneipe gesehen und ist eingekehrt.«
Da schüttelte Manuela den Kopf. »Ich glaube Ihnen nicht, Suko. Zwar kenne ich John Sinclair längst nicht so lange wie Sie, aber er ist nicht der Typ, der andere im Stich läßt und in der nächstbesten Kneipe verschwindet.«
»Da haben Sie recht.«
»Also doch Sorgen?«
»Schon möglich.«
»Was macht man denn da?«
»Nichts, wir warten.«
»Wollen Sie nicht nachschauen?«
»Nein, ich muß auf Sie achtgeben.«
»Ich komme mit. Den Wagen klaut schon keiner.«
»Wie Ihr Gepäck, nicht?«
»Das war etwas anderes.«
Der Chinese hatte sich entschieden. »Nein, Manuela, wir werden hier auf ihn warten.«
»Okay.« Sie nahm eine bequemere Haltung ein. Schräg setzte sie sich hin und hob die Beine etwas an, um besser sitzen zu können. Auf einmal zuckte sie zusammen, auch Suko spitzte die Ohren und neigte seinen Kopf dem offenen Fenster zu, damit er besser hören konnte.
»Hören Sie das gleiche, was ich höre?« fragte das Mädchen mit flüsternder Stimme.
Suko nickte.
»Was kann das sein?«
»Orgelspiel, Miß. Das ist das Spiel einer Orgel. Deutlich zu vernehmen.«
»Aber wer spielt denn um diese Zeit Orgel? Und wie ein Kirchenlied hört es sich wahrhaftig nicht an. Lauschen sie mal, das ist eine schlimme Melodie, da passen die Töne und Harmonien überhaupt nicht zusammen.«
Suko lachte. In der Tat mußte er dem jungen Mädchen recht geben.
So ein Orgelspiel hatte auch er noch nie in seinem Leben vernommen.
Zumeist klang die Melodie schwermütig, dann wechselte sie urplötzlich in eine schrille Disharmonie über, die in den Ohren schmerzte und im Kopf nachdröhnte. Sie steigerte sich zu einem furiosen Wirbel, um mit einem letzten Kreischen zu verstummen.
Es wurde wieder still…
Manuela und Suko blieben ruhig sitzen. Das Mädchen hatte sich ein wenig aufgerichtet.
»Verstehen Sie das?« fragte Manuela Meyer mit leiser Stimme.
»Nein.«
»Aber irgend etwas muß es zu bedeuten haben.«
»Das ganz sicher.«
»Und was machen wir? Sollen wir nicht nachforschen?«
Suko war dagegen. »Wir bleiben hier im Wagen sitzen. Ich weiß nicht, welche Gefahren im Nebel lauern.«
»Ja«, sagte Manuela. Sie räusperte sich und zog fröstelnd die Schultern hoch. »Dann haben Sie auch Angst, nicht wahr?«
»So ähnlich.«
»Geben Sie es doch zu. Auch wenn ich eine Frau bin…«
»Psst!«
Manuela verstummte. Sie lauschte. Und wie auch der Chinese vernahm sie plötzlich die Schritte.
Sie klangen irgendwo im Nebel auf, hörten sich knirschend und schleifend an und kamen langsam näher, obwohl keinerlei Gestalten zu sehen waren.
Manuela und Suko starrten in den Nebel. Träge wallte er an dem parkenden Wagen vorbei, kroch an dem Fahrzeug hoch und drang auch durch die beiden offenen Fenster, wo er mit langen hellen Fingern nach den beiden Insassen zu greifen schien.
Einem Instinkt folgend, drehte sich Manuela um. Sie schaute durch die schräge Heckscheibe, und sie sah die Gestalten aus der grauen Nebelsuppe kommen.
»Da!« schrie sie. »Hinter uns! Mein Gott, was sollen wir tun! Sehen Sie doch…«
Suko schaute nicht zurück, sondern weiterhin nach vorn, denn dort waren sie ebenfalls wie Geister aufgetaucht und hatten den Toyota umstellt…
***
Särge!
Es gab keinen Zweifel, in diesem Kellerraum, der ihnen als Fluchtstätte diente, standen Särge!
Fünf insgesamt!
Pechschwarze Totenkisten, frisch lackiert, denn sie glänzten noch nagelneu.
Jennifer fiel gegen ihren Mann. Sie hatte sich immer vor Särgen gefürchtet, bereits in ihrer Kindheit hatte sie eine Aversion dagegen gehabt, und jetzt sollte sie sich zusammen mit ihrer Familie vor einer blutgierigen Meute in einem Kellerraum verstecken, in dem die schwarzen Totenkisten standen.
Jenny wollte nicht. Sie klammerte sich am Türfutter fest. Ihr Mann kannte kein Pardon. Er umfaßte ihre Hüfte und zerrte sie in den Raum hinein.
Ronny hatte zwar auch große Angst, doch er wollte in der Nähe seines Vaters bleiben, dem er voll und ganz vertraute. Sein Dad würde bestimmt einen Ausweg wissen.
Vom Gang her hörten sie die Schritte. Die Verfolger hatten nicht aufgegeben. Sie kamen näher, sie wollten die Beute, die ihnen auf keinen Fall entwischen durfte.
Vic schleuderte seine Frau in den Kellerraum hinein. Er fand auch einen Lichtschalter, und über der Decke
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