0186 - Die Blutorgel
inzwischen klar geworden, daß sie in dieser Stadt keine Freunde hatten.
Das Gegenteil war der Fall, man wollte ihnen ans Leben.
Sie waren quer über die Straße gelaufen, bis sie an der Mauer standen, über die auch John Sinclair geklettert war. Von hier aus sahen sie in die schaurig schöne Szenerie.
Das Benzin brannte noch immer. Es mußten große Mengen ausgelaufen sein, und der schwarze, fette Qualm vermischte sich mit dem wallenden Nebel, wo beide sich zu skurrilen Figuren formten, die über dem Boden schwebten, bevor sie vom Wind zerrissen wurden.
Auch Menschen sahen sie.
Sie liefen vor oder seitlich an der Feuerwand entlang, schrien sich gegenseitig etwas zu, was Suko und das Mädchen nicht verstehen konnten.
»Wo bleibt denn Ihr Freund?« fragte Manuela.
»Das möchte ich auch gern wissen.«
»Er muß das Feuer gesehen haben.« Suko nickte.
Der Chinese überlegte, wohin sie laufen konnten. Es hatte keinen Zweck, an der Mauer stehenzubleiben, hier waren sie deckungslos, darauf warteten die anderen nur, und Suko faßte einen Entschluß. »Über die Mauer«, sagte er.
Manuela Meyer schaute ihn bestürzt an. »Ist das wirklich Ihr Ernst?«
»Ja, zum Spaßen bin ich nicht aufgelegt.« Suko deutete nach vorn.
»Da, sehen Sie, man will uns an den Kragen.«
Manuela nickte. Auch sie erkannte die Gestalten, die, vom Nebel umwebt, die Straße überquerten.
Sieben, acht Gegner zählten sie. Beide wußten zwar nicht, was sich hinter der Mauer befand, aber auf der Straße bleiben konnte sie auch nicht.
»Sie zuerst«, sagte Suko, stellte beide Gepäckstücke ab, legte die Hände zusammen, damit Manuela hineintreten konnte und half ihr so hoch.
Sie stellte sich geschickt an. Suko hob sie an, und es gelang ihr, die Krone mit beiden Händen zu umfassen.
Mit der Unterstützung des Chinesen schaffte sie es, lag auf der Krone und sprang nicht hinunter, obwohl Suko sie darum bat.
»Nein, ich warte auf Sie!«
Es war wirklich nicht die Zeit, sich auf lange Diskussionen einzulassen.
Suko nahm die Gepäckstücke und schleuderte sie über die Mauer.
»Geben Sie auf die Dinger acht«, rief er, denn er selbst mußte sich um die Gegner kümmern, die bemerkt hatten, was die beiden wollten und entsprechend reagierten.
Sie teilten sich.
Die eine Hälfte von ihnen lief nach rechts, weil sie an einer anderen Stelle über die Mauer klettern wollte, andere wiederum kamen direkt auf Suko zu, der es nicht mehr schaffen würde, rechtzeitig über die Mauer zu kommen.
Manuela geriet in Panik. Sie lag auf der Krone und schrie: »Kommen Sie doch, kommen Sie!«
»Moment!« Suko hatte sich verrechnet, was die Schnelligkeit seiner Verfolger anging. Auf jeden Fall befanden sie sich dicht vor ihm, und dem Chinesen blieb nichts anderes übrig, als seine Waffe zu ziehen.
»Bleibt stehen!« warnte er.
Sie hörten nicht.
Stab oder Beretta? Das war die Frage, die sich dem Chinesen stellte.
Mit dem Stab wäre es einfach gewesen. Er hätte das magische Wort gerufen, und die Zeit wäre für fünf Sekunden angehalten worden. Nur befand sich der Chinese nicht in direkter Lebensgefahr, und der Stab regenerierte sich nicht so schnell, wie er inzwischen herausgefunden hatte, deshalb wartete Suko gern ab, bevor er das letzte Mittel einsetzte.
Es mußte auch anders klappen.
Er zog die Waffe. »Bleibt stehen!« rief er den Verfolgern entgegen, die sich noch auf der Straße befanden.
Sie hörten nicht.
Da feuerte der Chinese. Er hielt auf die Beine des ersten. Das war ein hochgewachsener Mann, der dunkle Kleidung trug, und die geweihte Silberkugel in den Oberschenkel bekam.
Er zuckte zusammen, knickte ein und fiel auf die Seite. Trotz des Nebels sah Suko, wie sich sein Gesicht verzerrte, ein röchelnder Laut drang aus seinem Mund, dann zuckte er noch einmal und blieb still liegen.
War er tot?
Wenn ja, gab es für den Chinesen nur eine Erklärung. Dann mußte dieser Mensch kein Mensch im eigentlichen Sinne gewesen sein, sondern ein Untoter. Suko hatte nur auf das Bein gezielt, und durch so einen Treffer starb man nicht.
Mit anderen Worten: Er hatte es hier nicht mit normalen Menschen zu tun, sondern mit Zombies, Beeinflußten und Dämonendienern.
Die anderen beiden waren stehengeblieben. Sie schauten auf ihren Artgenossen, ohne wohl zu begreifen.
Suko bekam einen Zeitaufschub, den er nutzte. Manuela, die noch immer auf der Mauerkrone lag, konnte zuschauen, wie Suko unter seine Jacke griff und die Dämonenpeitschte hervorholte. Er
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