0190 - Ein schwarzer Tag in meinem Leben
zu. Hauptsache war, daß sie sich etwas übergestreift hatten.
Da bewegte sich das Mädchen.
Zuerst war es nur ein Zucken, das durch den Körper lief. Dann streckte die Kleine den Arm aus, bekam das Bein des Bügeltisches zu fassen und hielt eisern fest. Dir Griff war hart, die Knöchel sprangen scharf und spitz hervor, sie schimmerten weiß, ebenso weiß wie die Haut des wieder lebenden, aber doch seelenlosen Geschöpfes.
Violetta und Corinna beobachteten gespannt, wie sich das Mädchen erhob.
Ziemlich wacklig stand es auf den Beinen. Es beugte sich vor und drehte den Kopf.
Der Blick traf Corinnas Gesicht.
Die Werwölfin lächelte. »Du gehörst jetzt zu uns«, sagte sie, und die dunkelblonde Krankenschwester nickte, wobei sie den Mund öffnete und zwei spitze Zähne zeigte.
Sie war zu einer Blutsaugerin geworden. Der Biß hatte seine Folgen gehabt.
Bleich schimmerte das Gesicht. Und das kalte Leuchtstoffröhrenlicht ließ die Haut noch blasser erscheinen. Die untote Krankenschwester fühlte sich zu Violetta Valeri mehr hingezogen als zu Corinna Camacho. Deshalb blieb sie auch vor der Vampirin stehen.
Violetta bemerkte den fragenden Blick und nickte. »So«, sagte sie, »du wirst als eine der unsrigen nun in unsere Dienste treten, das ist sicher.«
»Sag mir, was ich zu tun habe!«
»Kennst du John Sinclair?«
»Nein.«
»Er ist heute hier eingeliefert worden. Mit einer Schußwunde, wie ich erfahren habe. Bring uns zu seinem Zimmer, und wenn wir da sind, wirst du hineingehen.«
»Was dann?« Plötzlich leuchteten die Augen der Krankenschwester.
Die Valeri lächelte. »Wie heißt du eigentlich?«
»Mandy.«
»Schön, Mandy. Ich bin Violetta, das ist Corinna. Wir gehören jetzt zusammen. Damit du siehst, daß wir es gut mit dir meinen, darfst du an John Sinclair heran.«
»Ich soll ihm…?«
»Ja, kleine Mandy, du darfst ihn zuerst beißen und sein Blut trinken…«
»Gut«, flüsterte Mandy und rieb über ihre Lippen. »Das mache ich. Das mache ich glatt…«
***
Die dunkelblonde Krankenschwester hatte einen wirklich aufreizenden Gang. So schlecht ging es mir gar nicht, als daß ich so etwas übersehen hätte.
Auch das Gesicht konnte man als hübsch bezeichnen, wenn es auch ein wenig im Schatten lag, denn das Streulicht meiner Lampe reichte nicht bis zu ihr.
Am Fußende blieb sie stehen.
Ich lächelte. »Bisher hat man mir nur von einer Oberschwester erzählt, die ziemlich garstig sein soll. Ich wußte gar nicht, daß es noch so hübsche Schwestern hier gibt.«
»Ich bin erst Schülerin«, antwortete sie.
»Das macht gar nichts. Falls Sie fragen wollen, wie es mir geht, dann muß ich Ihnen sagen, den Umständen entsprechend.«
Sie nickte. »Haben Sie Fieber?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Ich möchte es trotzdem nachmessen.«
»Wenn Sie unbedingt wollen.«
»Vorschrift, Mr. Sinclair.«
»Da kann man nichts machen. Sagen Sie mal, kennen Sie eine gewisse Nadine Berger? Sie ist ebenfalls hier eingeliefert worden, und zwar in den vergangenen Stunden.«
»Nein, Sir, ich habe meinen Dienst erst vor einer halben Stunde angetreten.«
»Schade.«
Sie stand inzwischen neben dem Bett und zog das flache Fieberthermometer aus der Tasche. »Sie müssen den Mund öffnen«, sagte sie.
»Messen Sie nicht unter dem Arm?«
»Nein, Sir.«
»Wie Sie wünschen.« Auf dem Rücken lag ich bereits, und die Schwester beugte sich zu mir herab. Ich sah ihr Gesicht. Es wurde jetzt vom warmen Schein der Lampe getroffen. Sie hatte zwar dunkelblonde Haare, aber grünlich schimmernde Augen. Rechts und links der Lippen sah ich zwei Grübchen in den Wangen.
Mein Blick wanderte von ihrem Gesicht weg und fiel auf das Revers des Kittels.
Ein paar dunkle Punkte sah ich dort.
»Bitte, öffnen Sie den Mund, Mr. Sinclair!«
Ich tat es automatisch, und die Krankenschwester beugte sich noch weiter vor, um mir das Thermometer zwischen die Lippen zu schieben. Dabei sah ich die Punkte genauer.
Sie waren nicht schwarz, sondern…
Moment mal, das war Blut!
Zu oft hatte ich es schon gesehen, und im Bruchteil einer Sekunde durchströmte mich der schreckliche Verdacht. Diese Krankenschwester war nicht echt, sie war ein Vampir!
Schon bewies sie es. Sie riß den Mund auf und warf sich nach vorn. Sie wollte mir ihre Zähne in den Hals hacken. Leicht gekrümmte, gelblich schimmernde Hauer, und ich weiß heute noch nicht, wie es mir gelang, den Kopf zur Seite zu drehen.
Das Gesicht und damit die Zähne trafen nicht meinen
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