0191 - Tschato, der Löwe
seiner gefährlichen Lage zu befreien."
„Ich brenne direkt darauf", gab Gecko etwas zaghaft von sich. „Ich wünschte, wir wären schon wieder an Bord der LION", sagte Picot.
Für eine Zeitdauer, die Leutnant Waso Netronow nur gefühlsmäßig messen konnte, schwebte die LION in jener schrecklichen Zone zwischen Sein oder Nichtsein. Die Schiffshülle wurde stärksten Belastungen ausgesetzt. Als müßte sie sich durch’ zähen Schlamm wühlen, flog die LION durch die obersten Schichten der Atmosphäre des Planeten Roost. Bei der wahnsinnigen Geschwindigkeit wirkte selbst die dünne Luft wie ein stark bremsendes Hindernis. Netronow war froh, als der Schlachtkreuzer wieder in den freien Raum zurückstieß. Das Brausen in den Ohren des Leutnants ließ nach. Von allen Decks kamen die Nachrichten ,erleichterter Männer, daß alles in Ordnung war. Aber erst, als er den kurzen Impuls der Space-Jet von Dawson mitgeteilt bekam, legte sich Netronows Erregung.
Bisher blieb ihnen das Glück treu. Er beobachtete, daß Duprene die Verkleidung der Positroniken mit den Händen betastete, als seien die ‘Komputer lebende Wesen, denen er für den Erfolg danken mußte. Netronow kam jedoch nicht zur Ruhe. Kaum, daß die LION sich von Roost entfernte, wurde sie von der Flotte der Blues aufgespürt. Die Ortungsgeräte der LION erfaßten drei blitzschnell in Richtung auf das terranische Schiff vorstoßende Blues-Raumer. Netronow, der genau wußte, daß in diesem Augenblick alle Schiffe des Gegners Alarm erhielten, gab Dawson das verabredete Zeichen. Die Hyperkomgeräte traten in Tätigkeit.
Offene Notsignale wurden von der LION abgestrahlt.
Von der fünfzig Lichtjahre entfernten LION 11 kam sofort die Antwort. Captain Vertrigg hielt die Stärke des Impulseinfalles bewußt schwach, so daß bei den Blues der Eindruck entstehen mußte, der Sender sei noch sehr weit entfernt. Wenn die Blues nicht gerade Hellseher waren, mußten sie jetzt an die Annäherung eines terranischen Flottenverbandes glauben. Leutnant Waso Netronow, der die im Anflug befindlichen Schiffe der Blues beobachtete, registrierte befriedigt das kurze Zögern. Dann jedoch, als die Blues sicher sein konnten, daß im Augenblick keine Gefahr drohte, setzten sie ihren Angriff fort. Mit voller Absicht beließ Netronow die LION im Normalraum. Mit drei gegnerischen Schiffen konnte die LION einen Kampf aufnehmen. Die sieben Transformkanonen bildeten eine fürchterliche Waffe. Netronow war sich bewußt, was alles auf dem Spiel stand. So vieles hing vom Erfolg ihres Vorgehens ab; ein einziger Fehler in Tschatos kühnen Plänen konnte das Ende bedeuten. Netronow wußte, daß es in den Plänen des Kommandanten schwache Stellen gab. Eine der schwächsten schien dem Leutnant Captain Walt Heintman zu sein, der mit einer sechzig Meter durchmessenden Kaulquappe gewaltige Entfernungen überbrücken mußte - und das durch. Regionen der Galaxis, in denen es von feindlichen Schiffen wimmelte. Im Verhältnis zu den Gefahren, denen die anderen Schiffe ausgesetzt waren, schien die LION noch ein sicherer Zufluchtsort zu sein. Wenn Netronow dabei einkalkulierte, daß er dieses Mehr an Sicherheit trotz der Armada feindlicher Schiffe als gegeben ansah, dann erkannte er erst, wie schwach die Hoffnung war, die er in diesem Augenblick fühlte. Einen Augenblick lang fühlte er nichts als ohnmächtigen Zorn. Woran lag es, daß die Menschheit keine Kubikmeile dieser Galaxis für sich gewinnen konnte, ohne überall auf Gegner zu stoßen? Waren sie als Rasse dazu verurteilt, auf einer Straße des Krieges voranzuschreiten?
Netronows Gedanken machten einen Sprung. Auf der Erde sprach man davon, irgendwann einmal bis nach Andromeda vorzustoßen.
Ihre eigene Milchstraße war nur eine unter unvorstellbar vielen.
Gemessen an der Ausdehnung des Universums lag Andromeda nur eine Straßenbreite von ihrer eigenen Galaxis entfernt. Würden sie eines Tages diese Straße überqueren können, ohne daß sich ihnen neue Gegner in den Weg stellten? Das Leben innerhalb der Galaxis war so vielfältig, daß es vermessen erschien,. anzunehmen, in der benachbarten Milchstraße könnte es keine überlegeneren Rassen geben.
Aber, so fragte sich Netronow, wenn diese Rassen wirklich mächtiger waren, warum blieben sie dann in ihrer Heimat?
Netronow überlegte, daß es vielleicht an der „Straße" liegen konnte. Er verwarf diesen Gedanken und hielt ihn für absurd. Hätte er geahnt, daß spätere Ereignisse seine
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