0193 - Ich heulte mit den Wölfen
auch versuchten sie, mich zu beseitigen. Sie glaubten wahrscheinlich, James habe einen von ihnen erkannt.«
»Und das war wohl Al Sarpent oder aber auch ein anderer gelegentlicher Gast, den wir gar nicht kennen.«
»Unter diesen Umständen werde ich die Testamentseröffnung aussetzen müssen«, beschloss der Anwalt. »Ich bitte Sie lediglich, mir die nötigen Unterlagen schriftlich zu geben.«
Wir versprachen ihm das, und er verabschiedete sich fluchtartig.
Es war ein Glück, dass die Zimmertür nach innen aufging. Andernfalls hätte die Hausdame ein gebrochenes Nasenbein zu beklagen gehabt.
Sie stand mit hochrotem Kopf vor uns, aber nicht verlegen, weil sie gehorcht hatte, sondern maßlos wütend.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich meine Stellung fristlos kündige«, fauchte sie. »In einem derartigen Haus bleibe ich nicht.«
»Warum sagen Sie mir das?«, sagte ich, aber der Anwalt zeigte sich der Situation gewachsen.
»Als Rechtsvertreter der Hinterbliebenen nehme ich Ihre Kündigung an«, erklärte er hochnäsig und ließ die Furie stehen.
Erst nachdem sie sich verflüchtigt hatte, verzog er sein pergamentenes Gesicht zu einem ironischen Lächeln.
»Wenn Miss Porter gewusst hätte, dass sie in dem Testament mit einem Legat von dreitausend Dollars bedacht ist, und wenn ihr ferner bekannt wäre, dass sie die nur erhält, falls sie noch mindestens sechs Monate nach dem Tod ihres Brotgebers bleibt, und, wie es ausdrücklich heißt, den Hinterbliebenen über die erste schwere Zeit hinweghilft, so würde sie das bestimmt nicht getan haben.«
Es war Maggie, die Phil und mich nach oben brachte. Patsy war in ihren Räumen und telefonierte in der ganzen Stadt herum nach ihrem Mann. Wir hatten auch keinen Grund, sie aufzusuchen. Cilly hatte merkwürdigerweise von den ganzen Geschehnissen nichts erfahren. Sie saß mit ihrem Kindermädchen im Zimmer und betrachtete Bilderbücher.
»Mutti ist nicht da«, begrüßte sie uns. »Ich weiß auch nicht, wo sie steckt.«
Hinter ihrem Rücken legte Julie Granger den Finger auf die Lippen. Wir verstanden. Es hatte ihr noch niemand was von dem Tod ihrer Mutter gesagt.
»Wir wollen gar nicht zu deiner Mutter«, sagte ich lächelnd. »Wir wollen uns mit dir unterhalten.«
Ihre gute Laune schien verflogen zu sein. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, stand sie da und musterte uns.
»Was wollen Sie denn von mir? Sie sind doch Cops. Habe ich etwa gestohlen?«
»Wenn du gestohlen hättest, säßest du ja schon im Gefängnis, aber du hast was anderes getan, was man nicht tut. Du hast uns belogen.«
Sie warf trotzig den Kopf zurück und antwortete:
»Ich lüge, wenn es mir passt. Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen. Fragen Sie doch Mami.«
»Aber Cilly«, mahnte Miss Granger.
In diesem Augenblick tat mir das kleine freche Mädel leid. Es hatte für sie in ihrem ganzen Leben nur zwei Menschen gegeben, die ihr etwas bedeuteten; ihre Mutter und ihr Großvater. Beide waren tot, und sie wusste nicht mal davon. Trotz ihres vielen Geldes war sie ein bedauernswertes Geschöpf. Das schoss mir durch den Kopf. Aber es war nicht der Augenblick, tun mitleidigen Gefühlen nachzugeben.
»Deine Mutti haben wir bereits gefragt, aber wir wollen auch von dir die Wahrheit wissen«, sagte ich streng. »Du hast uns neulich ein prächtiges Theater vorgespielt. Kein Mensch hat dich entführen wollen. Du hast nur das getan, was deine Mami dir auf getragen hat. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
»Ich sage überhaupt nichts.« Damit drehte sie uns einfach den Rücken, setzte sich vor ihr Bilderbuch und blätterte darin.
»Schön, dann werden wir dich eben mitnehmen müssen. Wenn man Bundespolizisten anlügt, kommt man ins Gefängnis.«
»Gehen Sie weg! Gehen Sie sofort weg!«, schrie Cilly, sprang auf und drohte mir mit beiden Fäusten. »Ich sage es Grandpa. Der lässt Sie hinauswerfen. Grandpa hat viele Dollars, und alle diese Dollars werden mir gehören. Mit Dollars kann man alles tun.«
»Ach nee. Wer hat dir denn das gesagt?«
»Wenn Sie es genau wissen wollen: Mami, und was Mami sagt, dass stimmt. Robby ist weg, und die Dollars gehören mir.«
»So… alles das hat Mami dir gesagt?«
»Fragen Sie sie! Fragen Sie sie!«
Sie trampelte mit beiden Füßen, und es hätte nicht viel gefehlt, dass sie auf mich losgegangen wäre.
Mehr brauchte ich im Augenblick nicht zu wissen. Cilly hatte mir indirekt alles verraten, was ich wissen wollte. Sie würde auch den Rest noch
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