0195 - Die Modegangster von New York
erster Gedanke war: Mrs. Pardo. Nachdem ihr Versuch, Susan auszuquetschen, fehlgeschlagen war, weil diese ja wirklich nichts wusste, konnte sie eine Detektiv-Agentur beauftragt haben. Woher aber sollte sie wissen, dass ich mit dem Mädchen gesprochen hatte?
»Haben Sie irgendjemandem gesagt, dass ich Sie besucht habe?«, fragte ich.
»Nein. Nur meine Eltern wissen davon.«
»Und könnte Ihre Mutter oder Ihr Vater das unter Umständen weiter erzählt haben?«
»Ich glaube nicht. Meine Eltern sind, wie Sie ja wissen, beide so eingestellt, dass sie bestimmt niemandem anvertrauen würden, dass ein G-man sie oder mich aufgesucht hat.«
Das war auch meine Ansicht, aber bestimmt wissen konnte man es nie.
Ich beruhigte Susan und bat sie dringend, sich mit niemandem auf ein Gespräch über Blanche einzulassen. Sie solle, falls sie wieder gefragt werde, sagen, es tue ihr leid, die Freundschaft sei nicht so intim gewesen, als dass die Santou ihr irgendwelche Geheimnisse anvertraut habe.
Sie musste das schon zu ihrem eigenen Besten tun. Im fernen Winkel meiner Gehirnschublade lauerte immer noch der Verdacht, irgendetwas sei nicht mit rechten Dingen zugegangen, und wenn es an dem war, so befand sich das Mädchen in Lebensgefahr, falls sie ein unbedachtes Wort von sich gab.
Dann sagte ich ihr noch, sie solle, wenn sie wieder bei irgendeiner Gelegenheit angezapft werde, den oder die Betreffende hinzuhalten versuchen und bei uns anrufen. Sie brauche keine langen Erklärungen abzugeben, sondern, falls ich nicht im Office wäre, nur zu sagen, wo sie sich zurzeit befinde.
Sie versprach das, und nachdem sie gegangen war, gab ich Anweisung bei der Telefonzentrale, dass, sollte sie sich melden, das nächste Polizeirevier aufgefordert wurde, sofort einen Mann zu schicken, der den oder die Neugierige festnahm.
Es war eine Chance unter tausend, aber ich wollte nichts versäumen.
Kurz vor Büroschluss tauchte Neville auf. Er war bester Laune, und es hätte gar nicht der Fahne bedurft, die ihm voranwehte, um zu merken, dass er eine gewaltige Anzahl Drinks hinter die Binde gegossen hatte.
»Was gibst du mir, Jerry, wenn ich dir sage, was du wissen willst?«, sagte er grinsend und warf seinen Hut schwungvoll in die Gegend des Garderobeständers.
»Auf keinen Fall etwas zu trinken, wenigstens heute nicht mehr«, neckte ich.
»Das hat man davon, wenn man sich für seine Kollegen aufopfert. Glaubst du, ich hätte umsonst gebechert. Übrigens bekomme ich einundzwanzig Dollar. Du wirst so gut sein, meine Spesenrechnung gegenzuzeichnen. Ich möchte ja zu all meiner Mühe nicht auch noch einen Verlust haben.«
»Wenn das, was du mir zu sagen hast, der Mühe wert ist, so kannst du auf mich rechnen«, versprach ich ihm.
»Und ob es der Mühe wert ist. Ich habe ›One Lung Knox‹ im HAIFISCH getroffen. Du kennst doch die Kneipe. Zuerst wollte er nicht mit der Sprache heraus, und so musste ich ihn sich betrinken lassen, was ziemlich lange dauerte. Kurz und gut, die Hells-Kitchen-Gang lebt, obwohl sie heute anders firmiert. Sie nennt sich ›Die Gorillas‹ und hat ihren Bau in der 3. Straße 46, fast an der Ecke der Bowery. ›Stumpy‹ ist immer noch der Boss. ›One Lung Knox‹ meint, die Boys müssten seit einigen Monaten eine geregelte und lukrative Beschäftigung haben. Jedenfalls hätten Sie Geld wie Heu.«
»Tagt der Verein in einer Kneipe oder wo sonst?«
»Es ist eine Kneipe in dem Haus. Sie heißt ZUM KROKODIL und existiert schon lange. Als ich heute Nachmittag dort einen letzten Drink nahm, sah ich nur die üblichen Gaunergesichter, aber nichts was darauf hindeutete, dass dort ein Gangster-Home ist. Auf ›One Lung Knox‹ kann ich mich jedoch verlassen. Wenn er sagt, die Gang tage dort, so stimmt das.«
»Dann werden wir also einmal nachsehen müssen.«
»Nimm dir dann lieber eine Kompanie Lederjacken mit«, riet mir Neville vergnügt. »Vielleicht könntest du sie brauchen.«
»Ich werde mir’s merken.«
Wenn man eine Gang in ihrem Heim erwischen will, so darf man nicht frühzeitig kommen. Für diese Klasse von Menschen beginnt der Tag erst um Mitternacht. Bis dahin mussten wir die Zeit totschlagen.
Phil und ich gingen also in den Gloria Palast in der 86. Straße, wo es nicht zu teuer war und wo eine sehenswerte Show laufen sollte.
Ich verzichte darauf, das Lokal zu beschreiben. Es war eben ein exklusiver Nachtklub mit allem üblichen Brimborium.
Der Geschäftsführer, der uns von einer früheren Gelegenheit her
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