0195 - Eine schaurige Warnung
unwilliges Knurren aus. Dann warf ihm Abrakim jedesmal einen scharfen Blick zu.
Dieser Abrakim war ein Mann zum Fürchten. Er besaß kein Herz, und in seinen Adern floß auch kein Blut, denn er war ein Geschöpf eines anderen Reiches. Zwar hatte er weiterhin seine menschliche Gestalt behalten, doch in seinen Adern war der Lebenssaft gegen einen anderen ausgetauscht worden, der ihm trotz aller Widrigkeiten ermöglichte, ein untotes Dasein zu führen.
Abrakim war der Herrscher über den geheimnisvollen Geisterwald. Und er war derjenige, der aus den Menschen, seinen eigentlichen Feinden, Skelette machte.
Dafür hatte er ein besonderes Verfahren entwickelt, dessen Geheimnis außer ihm nur einer kannte.
Mandragoro, Herr der Pflanzenmonster!
Dieser Dämon lebte in einer Dimension des Schreckens und hatte nach dem eigentlichen Tode Abrakims dafür gesorgt, daß er zu seinem Diener gemacht wurde. Lange hatte es gedauert, bis Mandragoro wieder jemand fand, seitdem er damals in London eine Niederlage erlitten hatte. Er wollte die Stadt mit seinen mordenden Pflanzen überschwemmen. Es war ihm fast gelungen, doch drei Geisterjäger, Zamorra, John Sinclair und ein Chinese hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. [3] Mandragoro, der in einem unbekannten Reich hockte und über ein Heer von Pflanzenmonstern gebot, hatte sich zurückgezogen und gewartet, bis erneut seine Stunde kam.
In Abrakim hatte er einen Diener gefunden.
Schon zu Lebzeiten hatte sich dieser unheimliche Zwergenmensch von den anderen zurückgezogen, um mitten im tiefsten Wald ein Eremitenleben zu führen. Als Köhler hatte er lange Jahre gearbeitet, war hin und wieder ins Dorf gekommen und hatte dort seine Ware verkauft. Kein Einwohner bemerkte, daß Abrakim starb und wieder zu einem seltsamen Leben erwachte, das er allein Mandragoro verdankte.
Die Angst vor ihm war geblieben, was ihm recht gelegen kam, denn nur so hatte er seine Ruhe.
Es ging lange Zeit gut, bis die Menschen den Schrecken des Geisterwaldes überwunden hatten und in ihn eindrangen. Abrakim hatte genau aufgepaßt. Die Menschen waren ihm in die Falle gelaufen, und er hatte ihre Skelette als schaurige Warnung an die Bäume des Waldes gehängt. Niemand sollte sein Reich betreten, das ihm und dem großen Dämon Mandragoro gehörte.
Gerade in letzter Zeit war Unruhe entstanden. Er hatte sehr wohl bemerkt, daß sich etwas tat. Fremde waren gekommen, und sie hatten große Maschinen mitgebracht. Nachts war Abrakim ins Dorf geschlichen und hatte Gespräche belauscht, deshalb wußte er, was die Fremden vorhatten. Sie wollten den Wald vernichten, weil tief in der Erde Schätze lagen, die für die Menschheit wichtig waren. Das sollte ihnen nicht gelingen. Abrakim und Mandragoro wollten einen Riegel vorschieben. Der Wald gehörte ihm, und dieser Wald würde ihm immer gehören. Er war stärker als die Menschen, weil er sich selbst nicht mehr zu den Menschen zählte, und er würde sie besiegen, das stand fest.
Der Hund trottete vor ihm her. Seine Wunde hatte sich wieder geschlossen, es lief kein Blut mehr daraus hervor, und Abrakim zeigte sich zufrieden. Irgendwann würde er sich einen neuen Hund zulegen, aber erst, nachdem er den heimtückischen Wolf erledigt hatte.
Er wußte nicht, woher er gekommen war. Das Tier war plötzlich aufgetaucht, gesehen hatte er es zuvor noch nie.
Abrakim fand seinen Weg. Er ging dort, wo der Wald am dichtesten war. Seine Füße schleiften durch das hohe Gras. Farnkraut wuchs hier besonders stark und kräftig. Die Äste und Zweige der Laubbäume waren ineinander verschlungen und bildeten einen regelrechten Wirrwarr.
Der Hund spürte die Nähe der Hütte, und er rutschte durch ein Gebüsch einen kleinen Abhang hinunter, um in eine Mulde zu gelangen, wo Abrakim hauste.
Es war eine alte Hütte. Die Rückseite schloß mit dem jenseitigen Hang der Mulde ab, und Abrakim hatte in mühevoller Arbeit einen Stollen in die Erde getrieben. Dort befand sich sein eigentliches Reich, und dort warteten auch die Opfer auf ihn.
Er kicherte, als er daran dachte und vor der Tür der Hütte stehenblieb.
Für einen normal gewachsenen Menschen war der Eingang zu niedrig, Abrakim, der Zwerg, jedoch brauchte sich nicht zu bücken.
Er konnte sein Haus auch so betreten.
Schaurig sah er aus. Sein Gesicht mit dem kahlen Kopf wirkte grünlich und leicht aufgedunsen, als hätte es selbst schon die Farbe der Blätter angenommen. Auch die kleinen Pupillen in den Augen schimmerten
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