0195 - Im Schloß der Bestien
durch die Zähne. Luxusschlitten dieser Art verirrten sich nicht oft in das kleine Dörflein, und daß dieser Wagen ausgerechnet jetzt erschien, machte ihn mißtrauisch. Gab es Zusammenhänge?
Hugh Caidry, der gern an seine eigene Haut zuerst dachte, war es aus eben diesem Grund gewohnt, um sieben Ecken zu denken und auch die unwahrscheinlichsten Dinge miteinander in Zusammenhang zu bringen.
»Sieh mal, Stan«, sagte er und deutete auf den Wagen. »Schon wieder Fremde.«
»Teufel auch«, murmelte Stan und dachte sofort an den roten Morris. Die Leute im Dorf konnten den Wagen sehen, die hielten notfalls sowieso zusammen wie Pech und Schwefel, wenn es nicht gerade darum ging, das verfluchte Schloß auszuräuchern. Aber Fremde konnten sich eventuell daran erinnern, den Wagen ausgerechnet jetzt gesehen zu haben und …
Stan Brickley dachte nicht weiter. Langsam ging er auf den Wagen zu, den Hugh Caidry fast erreicht hatte.
In diesem Moment richtete sich etwas auf dem Beifahrersitz auf. Ein riesiger Wolf, der wohl quer auf den Sitzen gelegen hatte!
Brickley sah nur den kantigen, langen Schädel auftauchen. »Weg!« schrie er Caidry zu. Der sprintete schon seitwärts, und Brickley warf sich herum zum Morris, in dem er noch seinen Bärentöter liegen hatte, in dem die Silberkugeln steckten.
Seine Gedanken überschlugen sich.
Ein Wolf im Wagen!
Und das am hellen Tag! Über das Eigenartige dieser Erscheinung machte er sich keine Gedanken. Er sah nur den Wolf, der jetzt vernehmlich knurrte, weil Caidry den Wagen umschlich, um von der anderen Seite heranzukommen.
Ein Wagen vom Schloß …?
Bei Tageslicht verlor der Wolf viel von seiner Gefährlichkeit. Das Unheimliche der Dunkelheit spielte nicht mit. Das Gewehr im Anschlag, kam er wieder heran. Der Wolf mußte die Gefahr spüren und schob sich durch das offene Autofenster. Er hatte dabei sichtlich Mühe, aber es gelang ihm.
Stan Brickley hob das Gewehr und zielte. Da zuckte der Wolf zurück, wieselte auf den Vordersitzen herum. Auf der anderen Seite hatte Caidry die Tür aufgerissen.
Zum Schuß war es zu spät. »Achtung, Hugh!« schrie Stan. »Er springt!«
Da prallte auf der anderen Seite Mensch und Wolf aufeinander.
Stan begann zu laufen, um auf die andere Wagenseite zu kommen. Daß eine junge Frau aus dem Pub trat, bemerkte er nicht, fühlte im nächsten Moment einen harten Schlag im Nacken und sah gerade noch das Straßenpflaster rasend schnell auf sich zukommen. Dann wurde alles um ihn herum finster.
***
Nicole hatte gar nicht gewußt, wie zielsicher sie mit unförmigen Gegenständen werfen konnte, aber dann sah sie dem davonsegelnden Bierglas nach, das unterwegs seinen Inhalt verschüttete und den Mann mit dem Gewehr mit einem Volltreffer zu Boden schickte. Der andere kämpfte auf der anderen Seite des Wagens gegen Fenrir.
Mit einem Blick hatte Nicole die Situation erfaßt. Offenbar hatte man Fenrir abschießen wollen, und der Wolf wehrte sich lediglich dagegen. Nicole spurtete um den Wagen. Der Mann stemmte sich verzweifelt gegen den Wolf, der stärker war, aber darauf verzichtete, seine nadelspitzen Fänge einzusetzen.
»Zurück, Fenrir!« schrie sie.
Der Wolf ließ von seinem Gegner ab, machte einen Sprung zur Seite und duckte sich, zu neuerlichem Angriff bereit.
Nicole kam heran. »Stehen Sie auf!« herrschte sie den Mann an, der sich ungläubig staunend hochrappelte. »Was sollte das?«
»Sie … der Wolf … ich …«, stammelte er.
Ungerührt sah Nicole zu, wie er auf die Beine kam.
»Sie wollten den Wolf umbringen, nicht wahr? Sie und dieser andere Kerl!« behauptete sie.
»Es ist ein Wolf«, stöhnte der Mann und wich ein paar Schritte zurück. Mißtrauisch beobachtete er dabei abwechselnd Fenrir und Nicole. »Gehört die Bestie etwa Ihnen?«
»Wer hier die Bestie ist, muß noch geklärt werden«, sagte Nicole. »Fenrir ist zahm!«
»Sie gehört zum Schloß, Hugh!« schrie in diesem Moment die Wirtin, die in der Pubtür erschienen war.
Der Mann namens Hugh sprang entsetzt zurück. Sein lauter Schrei gellte durch das Dorf.
»Die Wölfe sind hier! Die Wölfe sind im Dorf!«
Nicole begriff zwar nicht, aus welchem Grund es hier solche Furcht und solchen Haß auf Wölfe gab, geschweige denn, wie dies mit dem Schloß in Verbindung zu bringen war, aber sie wollte nicht weiter warten. »Rein!« rief sie Fenrir zu, der mit einem Sprung im Wagen landete und nach rechts kletterte. Nicole warf sich hinter das Lenkrad, drehte den
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