0196 - Die Mörderklaue
Fahrerhaus.
»Raus!« brüllte Moore noch. Ihm gelang es tatsächlich, die Tür aufzustoßen. Der Mann hatte die wahnwitzige Hoffnung, den gefährlichen Tieren entfliehen zu können.
Sein Kollege schaffte es nicht mehr. Tim Shriver blieb auf seinem Sitz hocken. Zuerst starr, doch als er den Schnabelhieb im Gesicht spürte und seine Wange aufgerissen wurde, da drehte er durch, begann zu schreien und um sich zu schlagen. Seine Finger öffneten und schlossen sich. Er bekam auch einen Vogel zu packen, schleuderte ihn nach vorn, einen zweiten, dritten wehrte er noch ab, dann spürte er die harten Schnabelhiebe auf seinem Kopf und das erste Blut, das aus den Wunden quoll. Es rann in die Haare, fand seinen Weg und lief in langen Streifen über das Gesicht des Mannes.
Er kippte zur Seite.
Seine Augen waren aufgerissen. Über sich sah er eine flatternde, wirbelnde, krächzende Masse, die ihn töten wollte. Zehn, zwölf dieser Raben oder Krähen befanden sich um ihn herum. Sie hackten und schlugen, zielten nach seinen Augen, und er spürte einen scharfen Schmerz unter der Braue. Blut rann aus den Augen.
Die Vögel kannten kein Pardon. Mit ihren messerscharfen Schnäbeln hackten und hieben sie zu. Systematisch brachten sie Tim Shriver einem furchtbaren Tod näher.
Er schrie und weinte, wehrte sich noch immer. Die Übermacht war einfach zu groß.
Aus zahlreichen Wunden blutend fiel Tim Shriver nach vorn und sank zusammen.
Er spürte nichts mehr, und irgendwann hörte auch sein Herz auf zu schlagen.
Alan Moore hatte noch Hoffnung gehabt. Er war aus dem Wagen gefallen und weich gelandet. Sofort rollte er sich herum und kam auf die Beine. In seiner Verzweiflung wollte er den Tieren davonlaufen und dachte nicht mehr daran, daß die Vögel viel schneller waren als er und er eigentlich chancenlos war.
Alan rannte.
Der Untergrund war feucht. Er erinnerte schon an den nicht weit entfernt liegenden Sumpf. Zudem war er rutschig, denn das Gras zeigte die Nässe der Nacht.
Moore hatte keine Chance. Auch wenn es im ersten Augenblick so aussah, denn die Vögel kümmerten sich nicht um ihn. Sie umflatterten den Wagen, drangen durch die zerstörte Frontscheibe in das Innere und hackten auch jetzt gegen die aus undurchsichtigem Glas bestehenden Seitenscheiben der Ladefläche. Ihre spitzen Schnäbel wirkten wie kleine Messer oder winzige Stemmeisen.
Das Glas bot nur einen bedingten Widerstand, dann brach es, und die Vögel drangen in den Wagen. Zuerst flogen sie auf die Ladefläche, wo sie sich auf den Sarg hockten und mit ihren spitzen Schnäbeln damit begannen, das Holz zu zerstören.
Sie wollten es zerhacken, und da das Fichtenholz sehr dünn und nicht eben widerstandsfähig war, schafften sie es auch.
Alan Moore stolperte weiter. Er rannte so schnell wie es der Untergrund erlaubte. Manchmal rutschte er auch aus, dann ruderte er mit den Armen, um sein Gleichgewicht zu finden.
Noch hörte er nicht das Flattern der Flügel, sondern nur seinen eigenen keuchenden Atem.
Dann warf er einen Blick über die Schulter, und seine Augen in dem geröteten Gesicht weiteten sich entsetzt.
Die Raben und Krähen dachten überhaupt nicht daran, ihn entkommen zu lassen. Sie hatten bisher nur mit ihm gespielt, das merkte er sehr deutlich, denn zahlreiche Tiere formierten sich zu einem regelrechten Angriffskeil, der in seiner Form an die Windschnittigkeit eines Phantom-Düsenjägers erinnerte.
Der Pfeil raste heran.
Plötzlich vernahm Man Moore nur noch das Rauschen über seinem Kopf. Er hörte das Schlagen der Flügel, schaute zurück und bemerkte mit Entsetzen, daß die dunkle Masse der Vögel bereits über ihm war.
Er schrie gellend.
Im nächsten Augenblick stürzten sie sich auf ihn. Das geschah mit so einer Wucht, daß es den Mann zu Boden trieb. Er spürte noch den Aufprall, stieß sich den Kopf an einen herumliegenden Stein, und dann hörte er nur noch das schrille Krächzen und das Flattern der Flügel, als die Vögel ihn wie eine gewaltige Woge überschwemmten.
Auch er wehrte sich. Mit dem linken Arm schlug er um sich, den rechten hatte er angewinkelt und gegen sein Gesicht gepreßt. Es nutzte nichts.
Die Vögel fanden immer ihren Weg. Sie waren eiskalt und irgendwie berechnend. Eine nicht erklärbare Kraft leitete sie in ihrer Mord-und Zerstörungswut.
Die Schreie des Mannes wurden leiser und verstummten schließlich völlig.
Alan Moore starb…
Abermals hatten die gefährlichen Vögel ein Opfer gefunden. Sie krächzten
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