02 Arthur und der Botschafter der Schatten
diese Bücher sind gefährlich«, wandte ich ein. »Wenn es so einfach wäre, sie zum Wohle aller zu benutzen, dann hätte es doch bestimmt schon jemand versucht.«
»Weil sie alle Angsthasen sind!«, rief Larissa. »Wie soll man wissen, ob etwas funktioniert, wenn man es nie ausprobiert? Alles, was die Bewahrer tun, ist irgendwelchen Regeln gehorchen, die irgendjemand vor vielen Jahrhunderten aufgestellt hat. Und keiner hat den Mut, diese Regeln infrage zu stellen!«
»Und du willst das jetzt machen?«
»Warum nicht? Einer muss doch mal damit anfangen. Sieh dich doch an! Du trottest folgsam wie ein Kamel durch Europa und weißt in Wirklichkeit gar nicht, was du tust! Vielleicht sind diese Bewahrer nur eine Legende! Und wenn es sie gibt – wer weiß denn, was sie tatsächlich vorhaben? Wieso müssen wir denn die Bücher überhaupt finden? Wenn diese Gerrits und Pomets und Mauren so schlau sind, dann könnten sie das doch auch ohne unsere Hilfe tun!«
Das waren Fragen, die ich mir natürlich auch schon gestellt hatte. Aber im Gegensatz zu Larissa hatte ich für mich eine klare Antwort gefunden. Und die hatte nichts mit komplizierten Überlegungen, sondern nur mit Instinkt zu tun. Ich fühlte einfach, dass ich Gerrit vertrauen konnte. Und dem Mauren. Nur bei Pomet war ich mir noch nicht so sicher.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte ich. »Willst du in Zukunft die Vergessenen Bücher für dich suchen? Oder für dich und deinen Brieffreund ?« Den kleinen Hieb konnte ich mir nicht verkneifen.
Sie stemmte die Arme in die Hüfte. »Mein Brieffreund zieht zumindest nicht den Schwanz ein und sagt zu allem Ja und Amen. Er trifft seine eigenen Entscheidungen. Und das werde ich ab jetzt auch tun.«
»Aber es war unsere eigene Entscheidung, uns auf die Seite der Bewahrer zu schlagen!«
»Dann korrigiere ich die hiermit. Es hat meinen Eltern nicht geholfen, es hat meinem Opa nicht geholfen, und dir wird es auch nicht helfen. Ich habe andere Pläne für die Zukunft.«
Sie setzte sich aufs Bett und zog ihre Sneakers an.
»Wo willst du hin?«, fragte ich alarmiert.
»Du bist zu anständig«, erwiderte sie. Sie stand auf und nahm mir das Telefon aus der Hand. »Hättest du auch die eingehenden Mails gelesen, dann wüsstest du, wohin ich jetzt gehe. Aber so sind sie eben, die Bewahrer. Und deshalb verlieren sie auch immer.«
»Du willst den Schatten treffen? Hier? Allein?« Ich konnte mein Entsetzen nicht verbergen.
Larissa lachte freudlos. »Dich kann ich nicht gebrauchen. Du würdest nur versuchen, mich aufzuhalten. Und das könnten meine Eltern nicht überleben.«
Sie nahm ihre Tasche und ging zur Tür. Ich fühlte mich völlig hilflos. Was sollte ich tun? Sie festhalten? Damit würde ich sie nicht aufhalten können. Aber ich durfte sie doch auch nicht einfach losgehen und das Buch der Wege dem Schatten aushändigen lassen!
»Larissa«, bat ich sie inständig. »Warte noch. Lass uns in Ruhe darüber sprechen.«
»Es ist alles gesagt, Arthur.« Sie öffnete die Tür. »Und versuch nicht, mir zu folgen. Ich hänge dich sowieso ab.«
Sie zog die Tür hinter sich zu und ließ mich stehen. Es stimmte: Einholen konnte ich sie nicht, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, mir zu entkommen. Aber das hieß nicht, dass ich sie einfach ziehen ließ. Dabei ging es mir noch nicht einmal so sehr um das Buch. Es ging mir um Larissa.
Seit dem Treffen mit dem Schatten hatte sie sich innerlich immer weiter von mir, dem Bücherwurm und den Bewahrern entfernt. Ob die Ursache dafür die Sorge um ihre Eltern war oder ob der Schatten einen unbekannten Einfluss auf sie ausübte, das konnte ich nicht beantworten. Fest stand nur, dass das nicht die Larissa war, die ich in den letzten Jahren schätzen und respektieren gelernt hatte.
Und ich war es ihr einfach schuldig, sie vor der größten Dummheit ihres Lebens zu bewahren.
Dabei konnte mir nur einer helfen: Pomet. Jetzt musste er zeigen, auf welcher Seite er stand.
Fünf Minuten später schlich ich mich die Treppen hinunter. Ich wollte Lidija nicht aufschrecken. Meine Vorsicht war allerdings vergeblich, denn sie wartete unten im Laden bereits auf mich.
»Hier herrscht heute mehr Kommen und Gehen als sonst in einem Monat«, sagte sie, und es sah nicht so aus, als sei sie zum Scherzen aufgelegt.
»Eine Notlage«, erwiderte ich. »Ich muss dringend raus.«
»Und wohin musst du so eilig?«
Auf diese Frage wusste ich keine Antwort. Weder kannte ich Larissas Ziel, noch
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