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02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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Aman begleiten. Sie könne sich auf den Taxifahrer verlassen.
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    Wahrscheinlich will er nur zum Videoladen zurück, dachte sie düster. Khalid machte einen letzten Versuch: »Sei doch nicht so stur! Bleib hier, wie du es vorhattest!«
    Als Mariann sich weigerte, wurde er grob. »Du warst es doch, die hierherkommen wollte, ich habe dich nicht eingeladen.« Dann entfernte er sich, eine steife, unnachgiebige Gestalt, die im Rückfenster des Wagens immer kleiner wurde, bis das weiße Nachmittagslicht von Bagdad sie verschluckte.
    Während der dreizehnstündigen Fahrt nach Amman gingen Mariann viele Dinge durch den Kopf: Wie würden die Kinder sich ohne sie zurechtfinden? Würde es ihr gelingen, allein die jordanische Grenze zu überschreiten?
    Was würden die Freunde vom VO W in Amman zu ihrer Abreise sagen? Shakir machte ihr sanfte Vorwürfe. Er meinte, Mariann hätte »durchhalten« und einen Monat länger bleiben sollen; sie hätte sich mit Hilfe ihres Mannes ein neues Visum beschaffen sollen. Vielleicht wäre Khalid vor Schulanfang noch zur Besinnung gekommen. »Es ist doch besser, noch ein paar Wochen zu leiden als das ganze Leben.«
    Die anderen dagegen hießen sie ebenso herzlich willkommen wie später ihre Familie und ihre Freunde in Michigan. Besonders freundlich waren zwei unverheiratete irakischamerikanische Frauen ihres Alters, Kawkub Daoud und Na-dia Sukkar. »Nadia war sehr lieb zu mir«, erzählte Mariann. »Ich schüttete ihr mein Herz aus, und sie hörte sich alles an. Sie meinte: >Ich weiß, daß du leidest, obwohl du es nicht verdient hast.< Und Kawkub gab mir einen Rat. >Mariann<, sagte sie, >ich weiß, daß es anders kam, als du wolltest. Aber du darfst dich hier in Amman nicht deiner Verzweiflung überlassen. Du mußt auch die positive Seite sehen: daß du nämlich einen Monat mit deinen Kindern zusammen warst. Diese Möglichkeit hättest du sonst nicht gehabt.< Das hob meine Stimmung beträchtlich, und ich fühlte mich nicht mehr so elend.«
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    Während des fünftägigen Zwischenaufenthalts in Jordanien waren die Frauen unzertrennlich. Nadia und Kawkub teilten in ihrem Zimmer sogar ein Bett, so daß Mariann, die knapp bei Kasse war, das andere haben konnte.
    Nadia war ebenfalls sehr traurig. Ihr Vater lag wegen einer Herzschwäche in einem amerikanischen Krankenhaus, und ihre Heimatstadt Basra, die zweitgrößte Stadt des Irak, war im Luftkrieg besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Lage war so schlecht - die Menschen lebten auf der Straße, die alten Moscheen waren zerstört -, daß Taxifahrer sich geweigert hatten, Nadia in ihre Heimatstadt zu bringen.
    Die Frauen hatten zwei Möglichkeiten: Sie konnten im Hotelzimmer sitzen und die Stunden bis zum Abflug zählen, oder sie konnten versuchen, sich ein wenig in Amman zu amüsieren und ihre Sorgen zu vergessen. Sie entschieden sich für letzteres, und Mariann konnte ihre Sorgen tatsächlich für einige Zeit vergessen. Sie faulenzten am Swimmingpool des Hotels und zogen durch die besten arabischen Restaurants, in denen Live-Unterhaltung geboten wurde. Khalid hatte ihr solche Dinge vorenthalten, und sie genoß alles: das Essen, die Musik und das gesamte Ambiente dieser so anderen Kultur.
    Mariann kehrte nach Michigan zurück - ohne ihre Kinder. Aber in anderer Hinsicht kam sie keineswegs mit leeren Händen zurück. Ihr Weltbild hatte sich nachhaltig verändert. Sie konnte die Not der Menschen ferner Länder nicht mehr von sich schieben; aus ihr war eine Weltbürgerin geworden.
    »In jeder irakischen Familie gab es jemanden, der ausgebombt oder getötet wurde«, sagte sie, »aber nicht das ist ihr Hauptproblem. Das Hauptproblem ist, daß infolge der Sanktionen die gesamte Wirtschaft zusammenbricht.
    Die Menschen haben seit langem keine Arbeit mehr und wissen, 265
    daß alles nur schlimmer wird. Frauen verkaufen ihren Schmuck und Mädchen ihren Körper, um etwas zu essen zu haben.
    Man bekommt dort weder Milch noch Lebensmittel, noch Medikamente. 70 Prozent der Medikamente stammten aus dem Westen. Heute bekommen sie nur noch zehn Prozent, obwohl sie dreimal so viel brauchen.
    Anästhesisten resignieren, weil sie keine Narkosemittel mehr haben. Impfstoffe, die nicht gekühlt werden können, verderben, und in den Brutkästen sterben Babys, weil über Nacht der Strom ausfällt. Einige VOW-Mitarbeiter haben schon sterbende Babys im Arm gehalten.«
    Trotz der Verwüstungen des Krieges stieß Mariann im Irak nicht auf Feindschaft. »Man

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