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02 - Aus Liebe zu meiner Tochter

Titel: 02 - Aus Liebe zu meiner Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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Annie Sugier und Anne-Marie Lizin gewann auch sie das Vertrauen der Algerier, indem sie die persönliche Integrität über Fragen des Protokolls stellte. »Mir liegt nichts an Ihrem Wort als Diplomat«, sagte sie einmal zu einem Regierungsvertreter, um ihn für die schwierige Aufgabe zu begeistern, »ich möchte Ihr Wort als Mann.«
    Die Algerier machten Georgina ein großes Kompliment: »Sie hat eine solche Ausdauer, daß sie ein Mann sein muß.«
    Zwar war Allaer abgetreten, aber seine Ideen lebten in dem Vertragsentwurf weiter, der unter seiner Federführung
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    ausgearbeitet worden war. Was nun blieb, war die prosaische, aber notwendige Aufgabe, die Einzelheiten auszuhandeln. Die Verhandelnden merkten, daß der endgültige Wortlaut höchste juristische Präzision besitzen mußte. Denn nur dann konnte der Vertrag verabschiedet werden und in beiden Ländern gesetzliche Geltung beanspruchen.
    Vor allem aber durfte der Vertrag die kulturellen Empfindungen der Algerier nicht verletzen. Linda sagte: »Man kann einem algerischen Vater nicht sagen, er sei nicht das Oberhaupt der Familie und habe nicht die Erziehungsgewalt über sein Kind.« Oder wie es die Algerier formulierten: »Man kann einen ehrenwerten Vater nicht dazu zwingen, sein Kind wegzugeben.« Angesichts dessen, so Linda weiter, müsse der Vertrag die Bezeichnungen »Vater« und »Mutter« überhaupt vermeiden. Kein Abkommen könne die juristischen Traditionen beider Länder miteinander verbinden. Im Vertrag sollte dieses Problem dadurch umgangen werden, daß der Text vom »verantwortlichen Elternteil« sprach und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt rückte. Der Vertrag mußte vor allem der Realität Rechnung tragen, nicht juristischen Spitzfindigkeiten.
    Die beiden Hauptgrundsätze des Vertrages waren über jegliche Diskussion und erst recht über jegliche Kritik erhaben. Der erste Grundsatz lautete, daß Kinder ein Recht haben, an dem Ort zu leben, den sie als ihre Heimat betrachten, und daß kein Elternteil ein Kind gewaltsam von diesem Ort entfernen darf. Der zweite Grundsatz bestätigte das Recht der Kinder auf Umgang mit beiden Eltern und schloß regelmäßige Besuche bei dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ein.
    Diese beiden Grundsätze zusammengenommen würden, darin bestand für die Patinnen kein Zweifel, den meisten internationalen elterlichen Entführungen die Grundlage ent-ziehen. Wenn Eltern wußten, daß ein entführtes Kind rasch
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    wieder nach Hause geschickt werden würde, konnten sie mit einer Entführung nicht viel gewinnen. Und wenn Eltern sicher sein konnten, daß ihre Elternrechte unabhängig von ihrer ehelichen Situation nicht bedroht waren, dann gab es für sie wenig Anreiz, eine solche Verzweiflungstat überhaupt zu wagen. Solange Kinder sich freizügig bewegen dürften - zwischen Eltern, Kulturen und Kontinenten -, hätte niemand einen Grund, sie an einem bestimmten Ort
    festzuhalten.
    Wie sich herausstellte, sprach der Vertrag für sich. Die Weltöffentlichkeit hatte zu seiner Verwirklichung entscheidend beigetragen. Die improvisierten grenzüberschreitenden Besuche waren zu sporadisch gewesen. Vor allem aber war der Vertrag so formuliert, daß er die algerischen Ängste zerstreute. In ihm verbarg sich keine List, um den Vätern jegliche elterliche Kontrolle zu entziehen. Vielmehr forderte er, daß beide Eltern sich die Verfügungsgewalt in Form von Sorgerecht und Besuchsrecht teilten und daß beide in der Pflicht standen, die Rechte ihrer Kinder zu gewährleisten.
    Nach sieben Jahren schleppenden Fortgangs ereignete sich der historische Durchbruch unverhofft rasch.
    »Kommen Sie«, drängte der algerische Verhandlungsführer sein Gegenüber Georgina DuFoix im Juni 1988.
    »Der Vertrag ist unterschriftsreif. Es sollte jetzt geschehen. Kommen Sie rasch nach Algerien.«
    Drei Tage später, am 21. Juni, wurde das algerisch-fran-zösische Abkommen unterzeichnet. Eine befristet eingesetzte, binationale Kommission sollte über alle laufenden Entführungsfälle beraten, einschließlich derjenigen der Mütter von Algier. Künftige Fälle sollten direkt an die Gerichte verwiesen werden.
    Ich bin überzeugt, daß dies ein bedeutsames Ereignis in der Geschichte der zwischenmenschlichen Beziehungen war. Es war ein Sieg der schönsten Art, denn es gab keine
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    Verlierer. Die Patinnen hatten ihre Vision bis zum Ziel durchgefochten. Die Mütter von Algier waren nicht länger von ihren Kindern abgeschnitten. Und die Algerier gewannen

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