02 - Beiss mich, wenn du kannst
Antriebslosigkeit und so weiter, weil ich ein gebürtiger Vampir bin -, hatte ich doch noch nie zuvor dieses luftige, leichte Gefühl verspürt, das entsteht, wenn man sich draußen unter der Sonne aufhält.
Das, was dem wohl am nächsten kam, war dieser echt coole Lampion aus Papiermachee, den ich in SoHo gekauft hatte. Er sah aus wie die Sonne. Ich hatte ihn bei mir in der Wohnung in einer Ecke aufgehängt und oftmals darunter gestanden, während ich über die richtige Sonne nachdachte.
Nicht, dass ich nicht überglücklich gewesen wäre, eine Bewohnerin der Dunkelheit zu sein, ganz im Gegenteil. Ich liebe mein Leben. Ich liebe es absolut, definitiv, vollkommen und total, ein Vampir zu sein, mit allen Vorzügen, die das mit sich bringt: verbesserte Sinne, tolles Gefühl für Mode und einzigartige, absolut erstklassige Formwandlerfähigkeiten.
Aber manchmal (erzählen Sie das bloß nicht meiner Familie) fragte ich mich doch, wie es wohl wäre, wenn ich, Sie wissen schon, ein Mensch wäre.
Ich legte meine Hand auf den Mantel, den Ty zurückgelassen hatte und der über die Lehne der Couch drapiert war, und fuhr mit der Handfläche über das kühle Material. Auch wenn er sich genauso wenig in der Sonne bewegen konnte wie ich, er hatte doch nicht immer mit dieser Einschränkung gelebt.
Ich stellte ihn mir am Rand eines Swimmingpools vor, in einem schicken Urlaubsort, einen Mai Tai in der einen Hand und eine Flasche Sonnenöl in der anderen.
Auch wenn ich mich für die eingeölte, nach Kokosnuss duftende Version von Ty durchaus begeistern konnte, dieses Mai-Tai-Dings (inklusive Sonnenschirmchen) zerstörte das Image von wegen großer böser Alpha-Kopfgeldjäger.
Ich rümpfte die Nase und ließ den Mantel los.
Auf der anderen Seite könnte ein solches Szenario durchaus hilfreich sein.
Wenn ich mir das nächste Mal am liebsten die Klamotten vom Leib reißen und ein kleines Matratzentänzchen aufführen würde, könnte ich ihn mir einfach mit einem Drink vorstellen, in dem ein kleiner Plastiksonnenschirm steckte.
Schlimmer noch, ich könnte ihn in so eine knappe Badehose stecken, mit einer dieser Sonnenbrillen aus Pappe, die man beim Augenarzt bekommt. Gerade erst vor einer Woche war ein Klient mit genau so einem Ding auf der Nase in meinem Büro erschienen, weil - Zitat - es nützlich sei und es ihm ersparte, sein schwer verdientes Geld für eine richtige Sonnenbrille auszugeben - Zitat Ende.
Ich weiß. Ich muss wohl nicht erst sagen, dass ich nach wie vor nach einer Frau suche, die diesem Geizhals nicht nach den ersten fünf Minuten eine Ohrfeige verpassen würde, geschweige denn einer, die bereit war, es einen ganzen Abend lang mit ihm auszuhalten.
Ich stellte mir einen Ty mit billiger Sonnenbrille und in grauenhafter Badehose vor. Aber da er so verdammt heiß war, hatte die knappe Badehose leider nicht den gewünschten Effekt. Ich fügte vierzig Pfund und einen behaarten Bücken hinzu. Oh ja, dem Kerl könnte ich glatt eine scheuern.
Ich klappte Tys Laptop auf und startete ein Textverarbeitungsprogramm. Die nächsten zehn Minuten verbrachte ich damit, eine Liste möglicher Fleischmärkte für Violas siebenundzwanzig Alpha-Männer zusammenzustellen. Als ich damit fertig war, machte ich mir noch ein paar Notizen zu bereits existierenden Klienten, einschließlich Esther Crutch, einer Mischung aus alter Jungfer und gewandeltem Vampir, die sich verzweifelt nach Liebe sehnte. Oder zumindest nach Gesellschaft. Ty kannte doch bestimmt noch ein paar andere gewandelte Vampire? Ich machte mir eine Notiz, dass ich ihn danach ausquetschen sollte, sobald er nach Hause kam, und verbrachte die nächste halbe Stunde im Internet.
Unglücklicherweise hatte ich meine Handtasche im Büro gelassen, was so viel hieß wie: keine Kreditkarten, was wieder hieß: keine Einkäufe, was also hieß: ohne mich. Innerhalb von Minuten war ich zu Tode gelangweilt.
Ich streckte mich auf der Couch aus, fest entschlossen, ein paar Stunden mit einem Nickerchen totzuschlagen. Eine meiner leichtesten Übungen, stimmt's? Ich meine, die Couch war in keinster Weise sexuell aufgeladen und hatte keinerlei Berührungspunkte mit Tys halb nacktem, schlafendem Körper. Bis auf die Tatsache natürlich, dass er letzte Nacht darauf geschlafen hatte, während ich mich in seinem Bett befand. Und er war eindeutig halb nackt gewesen, nur mit seiner abgetragenen Jeans und seinem sexy Grinsen bekleidet. Ich setzte mich wieder auf. Ich war ja so was von nicht in
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