02 - Beiss mich, wenn du kannst
mehr für ihr Geld haben, und so machten sie aus dem einen riesigen Apartment drei kleinere und entfernten die Treppe. Sie waren aber zu geizig, um den Fußboden komplett zu erneuern. Also haben sie die Klappe einfach verschlossen und einen Läufer drübergelegt. Das war aber zu dem Zeitpunkt, als ich eine Bleibe gesucht habe, wohl kein überzeugendes Argument für potenzielle Mieter. Doch mir hat's zugesagt."
„Du musst wohl öfter vor der Polizei fliehen?"
Er schüttelte den Kopf. „Er ist kein Polizist."
Er?
Bevor ich die Frage aussprechen konnte, packte er mich am Arm.
„Ich kann doch nicht einfach meine ganzen Sachen hierlassen."
„Du hast fünf Sekunden, um dir das Allerwichtigste rauszusuchen."
Mit blitzartiger Geschwindigkeit griff ich nach meiner Kosmetiktasche, der Handtasche und dem Handy. Ich wollte mir gerade noch eine der Taschen schnappen, als Tys Stimme in meinem Kopf explodierte.
„Los!"
Seine Hand schloss sich über meinem Arm, und auf einmal wurde ich einfach zur Falltür geschleift. Er schob mich durch die Öffnung.
Ich landete auf einem Gobelinteppich (ich weiß schon, niemand stellt heutzutage mehr Gobelins her), der den Boden in der Wohnung unter Tys Apartment bedeckte.
Der Grundriss war eigentlich derselbe, nur dass Tys Nachbar das Wohnzimmer da aufgestellt hatte, wo bei Ty das Schlafzimmer lag, und das Schlafzimmer an der Stelle des Wohnzimmers. Glücklicherweise, denn sonst wären wir auf diesem armen Bekloppten und seiner Freundin gelandet, die gerade einen morgendlichen Quickie schoben.
Sie hörten mit ihrer Vögelei sofort auf, und ihre Köpfe drehten sich ruckartig in unsere Richtung.
„Beachten Sie uns gar nicht", murmelte ich, während Ty den Teppich wegriss und die nächste Falltür aufzog. „Wir sind gleich wieder weg." Scharniere quietschten und stöhnten. Wir ließen uns durch die Öffnung ins Erdgeschoss fallen.
Das lauteste Schnarchen, das ich jemals gehört hatte, schallte von den Wänden wider und umzingelte uns. Ich warf einen Blick auf den Mann, der nur wenige Meter entfernt in seinem riesigen Bett schlief. Er trug eine Schlafbrille und eine Gesichtsmaske (wenn ich raten müsste, würde ich sagen Gurkenwahnsinn von Clinique). Seine Nasenflügel bebten. Seine Brust hob sich.
Ein lautes „Uaaaagggg" erfüllte den Raum.
Ich machte mich auf den Weg zur Tür, während Ty einen weiteren Teppich beiseitetrat.
„Wir sind im Erdgeschoss, du Dummkopf." Ich sandte ihm diese wortlose Botschaft, während ich nach dem Türknauf griff.
„Ich weiß, Blödkröte" Wir sahen uns an. „Das Gebäude gehörte früher einer großen Firma, die Eigentümerin des ganzen Wohnblocks war. Hier gibt es eine Kellerebene, in der das Fleisch geräuchert und gelagert wurde, und die verbindet alle vier Gebäude an dieser Straße. Ich glaube nicht, dass sie in letzter Zeit benutzt wurde, aber ich weiß, dass sie da ist."
Ich wusste es auch. Ich konnte das Getrippel einer Ratte hören, irgendwo unter uns. Der Duft nach altem Zedernholz, vermischt mit Rauch, ließ mich die Nase rümpfen.
Ich ließ die Haustür Haustür sein und gesellte mich wieder zu Ty, der am Eingang zu einem pechschwarzen Tunnel stand. Mein Blick glitt in die Dunkelheit, und ich sah besagte Ratte auf eine Gruppe ihrer Kumpels zuhuschen.
„Los."
Ich legte mir den Riemen meiner Kosmetiktasche um den Hals, klemmte mir die Clutch unter den Arm und ließ mich in die Finsternis fallen. Der Geruch verschluckte mich auf der Stelle. Ty folgte, und wir flüchteten durch einen engen Tunnel, der sich schon bald zu einer größeren Fläche erweiterte, die von einer Reihe kalter, lebloser Feuerstellen umgeben war.
„Hier wurde ein Teil des Fleischs geräuchert."
„Meinst du wirklich?" Meine Nase brannte inzwischen ganz fürchterlich, und ich schnitt eine Grimasse.
Wenige Sekunden später öffneten wir die Luke, die in eins der benachbarten Gebäude führte - inzwischen war das die Produktionsstätte für einen aufstrebenden Sportswear-Designer. Das Ding war nicht gerade sehr beeindruckend (hey, der Typ fing schließlich auch gerade erst an) mit seinen unfertigen Decken und Betonböden. Aber was ihm an Stil fehlte, machte es mit seiner Größe mehr als wett. Es war wirklich gigantisch, mit Dutzenden von Arbeitstischen und Nähmaschinen. Lüftungskanäle kreuzten sich über uns. Neonlampen hingen an mehr als fünfzehn Meter langen Ketten herunter.
Und ein weiteres großes Plus: Es roch weder nach Zedernholz noch nach
Weitere Kostenlose Bücher