02 - Beiss mich, wenn du kannst
mich so weit zu entspannen^
dass ich mich an ihn schmiegte. Na also. So stimulierend es auch war, ihm so nahe zu sein, so war es auch gleichzeitig einfach nur nett. Richtig bequem sogar.
Ich legte meine Wange an seinen Rücken und lauschte dem regelmäßigen Schlag seines Herzen. Ganz langsam, so wie bei jedem anderen Vampir, den ich kannte.
Aber er war nicht wie andere Vampire. Er war ein Gewandelter. Anders also.
Ich versetzte mir einen mentalen Schubs, um mich davon abzuhalten, es mir so auf ihm ausgestreckt allzu gemütlich zu machen. Aber das lullte mich nur noch mehr ein, bis ich die Augen schloss und anfing zu denken. Mir Fragen zu stellen.
„Wie ist es eigentlich?" Ich hatte ihm den Gedanken schon übermittelt, bevor ich es verhindern konnte.
„Wie ist was?"
„Die Sonne. Ich habe dem Sonnenuntergang schon so oft im Spiegel zugeschaut, und ein oder zwei Male bin ich sogar ganz dicht ans Fenster herangekrochen, aber ich habe sie nie wirklich gespürt."
„Ehrlich." Seine tiefe Stimme echote nach einem langen Moment der Stille durch meinen Schädel. „Es fühlt sich ehrlich an."
Okay, mag sein, dass gewandelte Vampire keinen Zugang zu der ausgezeichneten Erziehung hatten, die wir gebürtige Vampire so als selbstverständlich hinnehmen. Sonst würde Ty ein weitaus ergiebigeres Angebot an Adjektiven zur Verfügung stehen. Wie zum Beispiel feurig.
Glühend. Aufreibend. Blendend ...
„Die Sache ist die", unterbrachen seine Gedanken die meinen. „Sie ist das genaue Gegenteil. Es existiert keine Dunkelheit, um Makel und Fehler zu verstecken. Keine Schatten, in denen sich die Monster verbergen können. Nur dieses helle, warme Licht, das dafür sorgt, dass alles real bleibt. Das, was du siehst, bekommst du auch. Ehrlich."
Ich stand ja so was von auf dem Schlauch. „Du bist ein wahrer Künstler der Worte."
Ein leises Lachen erschütterte seinen harten Körper. „Schließ einfach die Augen und versuche es zu fühlen."
„Ich brauche eine ausführlichere Beschreibung"
„Du hast es ja noch nicht mal versucht"
„Sind die Cops endlich fertig?"
„Beinahe. Und jetzt hör auf damit zu versuchen, das Thema zu wechseln"
„Das ist ein langweiliges Thema" „Du hast doch damit angefangen" „Und jetzt möchte ich wieder damit aufhören" Noch einmal erschütterte ein Lachen seine kräftige Statur. „Zu spät, jetzt mach schon. Versuch's mal."
von mir aus. Es wird sowieso nicht funktionieren." Ich schloss die Augen und beschwor meine zweitliebste Strandfantasie herauf: die, in der ich auf einer Liege ä la carte relaxe, mit einem Drink in der Hand. „Ich fühle gar nichts." Bis auf das Kondenswasser auf meinem Glas. Und den Stoff der Liege in meinem Rücken.
Aber diese Dinge hatte ich in meinem Leben schon früher einmal gefühlt, darum war es auch leicht, sie sich vorzustellen.
„Zuerst musst du sehen"
„Ich will die Sonne fühlen, nicht sehen!'
„Das wirst du auch. Jetzt sieh dich um"
Ich verlagerte meine Konzentration von dem gelben Ball aus Feuer, der hoch über mir glühte, ab und starrte eine Palme an, die gleich neben mir stand. Die dunkelgrünen Blätter bewegten sich schon beim leisesten Lufthauch. Mir fiel das gitterartige Muster auf dem Blattwerk auf. Ganz in der Nähe summte eine Fliege; ihre winzigen Flügel bewegten sich mit Lichtgeschwindigkeit. Das Wasser schlug in kleinen Wellen an den Strand. Ich sah die feinen Sandkörner, die wieder aufs Meer hinaustrieben, als sich das Wasser zurückzog. Es war ebenso faszinierend wie seltsam beruhigend. Geradezu friedvoll.
„Ehrlich", erklang das Grummeln von Tys tiefer Stimme.
Ein Lächeln schob meine Mundwinkel nach oben.
22
Wir machten uns in Gestalt von Fledermäusen auf den Weg, sobald die Cops das Designer-Lager verließen. Der zu drei Vierteln volle Mond erhellte den nächtlichen Himmel, während ich Ty Richtung Norden folgte. Zumindest dachte ich, dies sei die Richtung, in der wir uns bewegten. Aber so wie die Dinge jetzt lagen, hatte ich mich offensichtlich geirrt.
Wir waren nach Süden geflogen. Auf direktem Weg in die Hölle.
Das heißt, die Animal-Planet-Version der Hölle.
Ich blickte mich in dem geräumigen Blockhaus um. Leblose Augen starrten auf mich zurück, aus den Gesichtern der zahlreichen Hirsche, Rehe und Wildschweine nämlich, die an den Wänden ringsum hingen. In der gegenüberliegenden Ecke stand ein riesiger Bär auf seinen Hinterbeinen, mit zurückgezogenen Lefzen, gefletschten Zähnen und
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