02 - Das Weltenschiff
kontrolliert wird.«
»Aber wenn er deinem Freund etwas antut, zählt jede Sekunde!«, wandte der Karellianer ein.
»Hrahh!« Ik stimmte seinem Freund mit einer Geste zu und folgte ihm in den Turbolift. Nebeneinander standen sie im Schacht, von einer Lichtblase umhüllt, und flitzten aufwärts.
Ik blinzelte, als es heller wurde, und musste an das Licht der blau glühenden Sonne Hraachee’as denken. Er vermisste seine Sonne schrecklich. Blaue Sterne waren zwar unsagbar schön, doch war ihre Lebensspanne nicht einmal annähernd so lang wie die der langsamer brennenden gelben Sterne, um die sich die meisten Welten drehten. Iks Volk war erwachsen geworden, als es erkannte, dass das Leben beängstigend kurz war – selbst gemessen an der Lebensspanne eines Planeten. Sein Volk war untergegangen, als seine Sonne explodierte – eine Erfahrung, die Ik die Flüchtigkeit des Lebens bewusst gemacht hatte; seither hielt er sich stets dazu an, langfristig zu denken.
Er wünschte sich, er hätte mehr Freunde, die ebenso dachten wie er.
Das große, weite Atrium kam in Sicht, als sie aus dem Schacht schossen. Als die Lichtblase sie auf Ebene 104 wieder entließ, grunzte Ik zufrieden.
»Noch kein Boojum«, bemerkte Li-Jared.
»Wenn wir Glück haben, hat er sich wieder versteckt. Hier geht’s in Richtung Eins Sechs Sieben sechs.« Ik deutete den Balkon über dem Atrium der Stadtanlage hinunter. Die Gefährten mussten an einer Schar schlangenähnlicher Wesen vorbei, die ihnen auf dem Balkon entgegenkam. Die Wesen schlängelten sich über den Balkonboden und nahmen ihn dabei fast in seiner gesamten Breite ein. Sie zischten unwillig, wichen dem Hraachee’aner und dem Karellianer nur ungern aus. Ik kochte vor Wut, als sie die Schar endlich hinter sich gelassen hatten.
»Ganz ruhig, mein Freund!«, versuchte Li-Jared Gelassenheit auszustrahlen. »Ich war vorhin vielleicht ein wenig voreilig. Bandie hat schon ganz andere Dinge überlebt. Lass uns davon ausgehen, dass er das hier auch überlebt.«
»Der Boojum wird kühner, immer kühner«, murmelte Ik alles andere als beruhigt. Mit noch größerer Eile hastete er vorwärts. »Ich frage mich, ob es überhaupt noch etwas im Eisnetz gibt, das ihn aufhalten kann.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, wiegelte Li-Jared ab. »Aber wir wollen unseren Gefährten nicht so leicht aufgeben!«
Verblüfft schaute Ik Li-Jared an. Unseren Gefährten? Vielleicht hatte es dem launenhaften Li-Jared ganz gut getan, dass Ik ihn mit Bandicut auf einen Drink allein gelassen hatte. Bis jetzt, jedenfalls.
Ik las die Nummern an den Plattformen und Türen ab, an denen sie vorbeikamen. Ihr Ziel lag noch ein gutes Stück entfernt.
Es war das enervierende summende Geräusch in seinen Ohren, das ihn wieder zu sich kommen ließ; aber nicht völlig. Bandicut war nicht ganz bei Bewusstsein, vielmehr saß er mi t geschlossenen Augen da, in einem traumähnlichen Zustand. Nach einem Moment erkannte er, dass er den Summton gar nicht mehr wirklich hörte, sondern sich lediglich daran erinnerte – doch war diese Erinnerung so stark, dass sich in seinem Kopf alles drehte. Summen. Fugue. Boojum.
Der Boojum hatte ihn angegriffen und versucht, ihn zu töten. Nur die plötzlich ausbrechende Fugue hatte ihm das Leben gerettet, indem sie den tödlichen Einfluss des Boojum auf sein Gehirn abgeblockt hatte.
Ihn schauderte heftig, als er sich daran erinnerte.
Tja, jedenfalls wusste er jetzt, wie sich ein Angriff des Boojum anfühlte. Er glaubte nicht, dass er dieses Gefühl je vergessen würde; und er würde den Boojum sofort wiedererkennen, ganz gleich, wie sehr er auch sein Eindringen kaschierte. Noch immer begriff er nicht, was der Boojum eigentlich war, doch verstand er schon mehr als zuvor.
Trotzdem schwirrten ihm lauter Fragen im Kopf herum, Gedanken über das Chaos.
Turbulenz.
Nichtlinearität.
Er erinnerte sich an Charlie-Eins und Charlie-Zwei, die ihn mit unverständlichen Bildern von Chaoskalkulationen überschwemmt hatten. Phasenraum, Attraktoren, seltsame Attraktoren, Meta-Attraktoren. Der Endzustand, zu dem Chaos und Ordnung gezogen werden, eins aus dem anderen, wie bunte Tücher aus dem Hut eines Zauberers. Für den Translator des Quarx’ waren derartige Dinge Alltäglichkeiten gewesen. Bandicut hatte nicht viel von den Bildern verstanden, gerade genug, um zu wissen, dass die Kenntnisse des Translators über dieser Materie Milliarden von Menschen das Leben gerettet hatten.
Und dann hatte der
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