02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
wir nicht den Tee in meinem Salon?«
»Ich will auch, ich
will auch«, rief Pippa begeistert.
»Aber Schätzchen,
ich glaube, es muss sich jemand um Katies Haar kümmern«, sagte Charlotte zu
Pippa, die daraufhin gleich hinüberlief und ihren Kamm holte. Sie war hin und
her gerissen zwischen dem Wunsch, unten mit Lady Sophie Tee zu trinken oder
sich in ihrer geliebten Frisierkunst zu üben.
»Nun sehen Sie sich
nur Ihr Kleid an, Lady Pippa«, sagte das Kindermädchen.
Pippa schaute an
sich hinunter und strich sorgfältig ein paar Falten glatt.
»Nun, zuerst war
ich ganz vorsichtig, Katie, aber dann habe ich es vergessen.«
»Du meine Güte«,
rief Katie. »Da ist mein Haar in völliger Unordnung, und ich habe es nicht
einmal bemerkt! Gott sei Dank ist Pippa hier, die mir helfen kann.« Sie setzte
sich hin und nahm ihre Haube ab, und Pippa begann, vorsichtig die Nadeln aus
dem glatten Haarknoten zu ziehen.
Sophie beugte sich
nach unten und rieb ihre Nase an der Wange der kleinen, vorwitzigen Range.
»Darf ich dich schon bald für einen Nachmittag ausborgen? Wir werden Eiskrem
essen, und du kannst mir erzählen, was eine Lady so tut. Das ist eine gute
Übung für später, wenn Sarah deine Hilfe benötigt.«
»Ja gut«, sagte
Pippa glücklich. »Papa sagt, Eiskrem wird noch mein Untergang. Wissen Sie, was
er damit meint?«
»Es bedeutet, dass
du sehr gerne Eiskrem isst.«
»Was ist Ihr
Untergang, Tante Sophie?« Pippas schwarze Augen blickten Sophie neugierig an.
Ihre wunderschön geschwungenen Augenbrauen waren eindeutig das Erbe ihres
Vaters - und das ihres Onkels.
Der Wunsch nach
einem kleinen Mädchen, das genauso aussieht wie du, dachte Sophie
unwillkürlich. Und all das, was zur Erfüllung dieses Wunsches führen kann.
»Sie ist genau wie
du, Pippa«, ertönte Charlottes Stimme an der Tür. »Sophie mag gerne Eiskrem,
und damit genug davon.«
»Sophie mag
Eiskrem, Eiskrem, Eiskrem!«, rief die kleine Pippa und schwenkte ihren
silbernen Kamm.
Nachdem sie Pippa
ein letztes Mal zugewinkt hatte, schlüpfte Sophie aus dem Zimmer und folgte
Charlottes schlanker Gestalt die Treppe hinunter zum Salon der Gräfin, der sich
im Erdgeschoss befand.
Sobald Charlotte
das Zimmer betreten hatte, ließ sie sich in den Schaukelstuhl am Fenster sinken
und arrangierte ihr lockeres Hauskleid so, dass sie Sarah die Brust geben
konnte. Sophie wanderte ruhelos im Salon umher. Es war ein Raum, dem die
elegante Steifheit völlig fehlte, die den Salons der Damen meistens anhaftete.
Natürlich verrichtete Charlotte hier nicht ihre richtige Arbeit - sie
besaß ein Atelier im zweiten Stock -, aber der Rosensalon war der
Mittelpunkt des familiären Lebens. Es war ein gemütliches, freundliches Zimmer,
indem es auch einmal gestattet war, ein paar Bücher unordentlich in das Regal
zu stellen und Papiere am Kamin liegen zu lassen. In diesem Salon beging die
Herrin, noch dazu eine Gräfin, außerdem noch den beispiellosen Affront, ihr
Kind selber zu stillen. Dass an sich war schon schlimm genug, aber dass sie
sich dazu nicht einmal in die dunkelste Ecke ihres Schlafgemachs zurückzog, war
unerhört.
Schließlich blickte
Charlotte auf und warf Sophie einen erwartungsvollen Blick zu.
»Nun?«
Sophie hatte
wehmütig zugesehen, wie sich Sarah an die Brust ihrer Mutter schmiegte und, mit
der kleinen Faust ein Miederband umklammerte.
»Nun ...«,
wiederholte Sophie neckend. Ach habe Braddon den Laufpass gegeben.«
»Oh, Sophie, das
ist ja großartig«, jubelte Charlotte. »Braddon war nicht intelligent genug für
dich. Er hätte dich nie verstanden, und auf seine eigene Art und Weise ist er
in seinen Ansichten sehr konservativ und festgefahren. Du hättest ihn zugleich
schockiert und eingeschüchtert. Er ist natürlich ein sehr netter Mann, aber für
dich nicht der richtige.«
»Und wer ist der
richtige?« In Sophies Augen funkelte es schelmisch.
Charlotte schwieg
besonnen. Wenn Sophie ihren Schwager nicht heiraten wollte, dann konnte man das
nicht ändern. Auch wenn die beiden, zumindest in Charlottes Augen, perfekt
zusammenpassten.
»Oh je«, sagte
Sophie mit gespielter Verzweiflung. »Ich fürchte, du wirst von meinem neuen
Verlobten nicht viel halten.«
»Dein neuer Verlobter?«
»Du kannst doch
nicht tatsächlich glauben, dass die Frau, über die in London am meisten geredet
wird - zumindest seit du so häuslich geworden bist und keine Skandale
mehr verursachst -, ganze vierundzwanzig Stunden ohne Verlobten auskommen
kann!«
Weitere Kostenlose Bücher