02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
abschlagen. Idu hat versprochen, dir zur Seite zu stehen. Sie hat mir erzählt, dass ihr beiden viel Zeit zusammen verbracht habt, während es deinem Vater so schlecht ging. Ich freue mich, dass ihr Freundinnen geworden seid.“
Ich erinnerte mich an das blutige Betttuch, mit dem Idu mich hereingelegt hatte, an ihre viel zu freundlichen Worte, mit denen sie sich für Papa Felix eingesetzt hatte.
Mutter bemerkte meine ablehnende Miene. „Stimmt es denn nicht, dass ihr Freundinnen seid?“, wollte sie wissen.
Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, zu sagen: Nein, Mama, ich traue ihr kein bisschen! Doch durfte ich so etwas auch nur denken? Immerhin hatte Idu eine Vision gehabt! Durch ihren Mund sprach der Wille Gottes. Und ich war gerade erst 16 geworden, erzogen im bedingungslosen Glauben an Gehorsam ihm und meinem Vater gegenüber.
„Ihr werdet auf der Farm ein Telefon haben“, sagte Mutter. „Wenn du Sorgen hast, kannst du mich anrufen, Choga Regina.“
„Danke, Mama“, sagte ich. Ich hätte heulen können.
Der Tag meiner Hochzeit rückte bedrohlich näher; eine große Feier wurde geplant - der gesellschaftliche Höhepunkt des gesamten Jahres. Mit besonderem Eifer schmückten die queens die Höfe, einige Häuser bekamen sogar einen neuen Anstrich. Ich arbeitete mit, wo ich konnte. Nur nicht nachdenken! Mama Felicitas und Mama Patty erwarteten zur Hochzeit der Tochter ihrer Freundin viele Gäste. Kinder, Enkel und Verwandte sollten aus ganz Nigeria anreisen. Die Vorbereitungen spannten jeden ein. Unzählige Frauen würden bei uns im Harem übernachten. Für die mitreisenden Männer wurde das Haus meines Vaters hergerichtet, um so viele Gäste wie möglich beherbergen zu können. Die restlichen wurden in der Umgebung bei Gemeindemitgliedern untergebracht.
Es war keineswegs Brauch, dass für eine Tochter solch ein Aufwand getrieben wurde. Normalerweise reisten meine Schwestern nach einer kleinen Hochzeitsfeier mit ihren künftigen Ehemännern zu deren Familien und kehrten allenfalls Jahre später mal wieder auf Besuch zurück. Mama Idu, die inzwischen genesen war und nun während der Familienfeste das lila Band einer Visionärin trug, sagte während der Vorbereitung einen Satz, der mir fortan nicht mehr aus dem Kopf ging: „Papa Felix ist der zweitwichtigste Mann der Familie.“
Natürlich, dachte ich, das ist der Grund! All dies Theater galt gar nicht mir, sondern Vaters Stellvertreter. Zwischen ihm und Papa David sollte schließlich
„das Band der Liebe“ gefestigt werden. Dieses „Band“ war ich. So fühlte ich mich auch -wie eine Sache, nicht wie eine Braut.
Meine Hochzeit
Zum Schluss legte Mama Uloma persönlich Hand an mein Brautkleid, das zweimal abgenäht werden musste, weil ich von Tag zu Tag schlanker wurde.
Die alte Frau perfektionierte meinen wundervollen langen Schleier. Und dann kam sie mit den Schuhen! Sie waren weiß, spitz und hatten sogar einen Absatz.
Diese Dinger sollte ich allen Ernstes anziehen! Keine drei Schritte bewältigte ich ohne umzuknicken. Uloma erkannte bald das Problem, die unterschiedliche Länge meiner Beine, und ließ die Schuhe fortbringen. Am Vorabend der Hochzeit stellte sie das Paar wieder vor mich hin: Ein Schuh war um drei Zentimeter erhöht worden. Ich kam mir vor, als müsste ich auf Stelzen laufen.
Kurzerhand verlängerte Uloma den Saum des Kleides. „Man wird nichts sehen, mein Kind“, tröstete sie mich.
„Aber ich kann in diesen Dingern nicht laufen“, versuchte ich einzuwenden.
„Du wirst die schönste Braut sein, die je in diesem Haus geheiratet hat. Deine Ehe wird sehr glücklich werden, denn sie wurde in einer Vision vorausgesagt.
So etwas ist sehr selten“, freute sich meine Ehelehrerin. Dann schob sie mich vor dem Spiegel hin und her, zupfte an meinem Schleier und immer wieder am Kleid.
Unter den Stoffbergen hätte jedes andere Mädchen stecken können. Ich glaube, das hätte niemand bemerkt. Vielleicht hätte ich es riskieren und den Platz mit einer anderen tauschen sollen ..
In meinem Land ist Regen eine Kostbarkeit. Gleichzeitig ist man oft überhaupt nicht darauf vorbereitet, wenn er fällt. In Jeba hatten wir alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um jeden Tropfen auszunutzen. Nicht so im Harem von Lagos. Wohl deshalb ist mir der Regen am Tag meiner Hochzeit so gut in Erinnerung. Er begann in der Nacht mit dicken schweren Tropfen und hatte bis zum Morgen den ganzen Compound in einen matschigen Brei aus rotbrauner Erde
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