02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
als weißen Stoff erkannten. Aber sie wussten, darunter steckte ich. Da spürte ich diese spitzen, harten „Stelzen“ an meinen Füßen und eine entsetzliche Panik durchfuhr mich. Wenn ich zu sehr schwankte, ein Absatz abbrach, ich umfiel und dabei meinen Vater mitriss ..
Dass solche Nebensächlichkeiten eine derartige Bedeutung bekommen können!
Dieser Weg war das Allerschwerste! Keine Ahnung, wie ich ihn bewältigte.
Irgendwie schaffte ich es, stand schließlich vorn neben Papa Felix, ließ mir den Ring aufstecken und brachte mein „Amen“ hervor, mit dem ich den Trauspruch bestätigte.
Mama Idu, die diese Hochzeit durch ihre Vision gestiftet hatte, umarmte mich und trug ihre Segenswünsche mit glühenden Augen vor. Am Ende ihrer kleinen Ansprache gab sie Papa Felix und mir ein Motto für unsere Ehe mit. „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“, sagte Idu und lächelte.
Papa Felix hob meinen Schleier und küsste mich.
„Hallelujah“, sang die riesige Gemeinde in meinem Rücken.
Ich war eine 16-jährige Braut, die nicht richtig laufen konnte und sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie den langen Weg vernünftig aus der Kirche überstehen sollte. War Mama Idu wirklich meine Freundin, wie Mutter gemeint hatte?
Würde eine richtige „Freundin“ einer Braut ausgerechnet diese Stelle des Matthäus-Evangeliums mit auf den Eheweg geben? Ich hatte den Eindruck, als ob Idu mir damit eher das Gegenteil von Glück wünschte ..
Als die Trauung vorbei war, wollte ich gewohnheitsmäßig auf meinen Platz inmitten der anderen Mädchen zusteuern, doch Papa Felix lenkte mich zu seinen anderen Frauen. Diejenigen von der Farm kannte ich bereits, seine beiden älteren Frauen waren aus Ibadan angereist. Ich wurde Frau Nummer sechs.
Meine Mitfrauen waren fröhliche Menschen, einige doppelt so alt wie ich, die ältesten Mitte bis Anfang 40. Sie kamen aus dem Norden des Landes und unterhielten sich meistens in ihrer Sprache. Wenn ich nicht riskieren wollte, dass sie mich immerzu verspotteten und auslachten, musste ich schnellstens ihre Sprache erlernen.
Während der eigentlichen Hochzeitsfeier im Gemeinschaftshaus sah ich Papa Felix kaum, und wenn, dann nur von fern. Wenigstens der Hochzeitstanz blieb mir erspart; das hatte Mutter arrangiert. Mama Idu war eine gute Tänzerin, die mit Felix eine gute Figur machte und den Part gerne übernahm. Bald befreite ich mich von meinen Schuhen, raffte das lange Kleid und mischte mich unter die unzähligen Gäste. Ich suchte eine Person, deren Gesicht ich kurz in der Menge entdeckt hatte: Efe. Endlich hatte ich sie ausgemacht. Sie hatte ihren anderthalb Jahre alten Sohn dabei, einen süßen kleinen Kerl mit einem Puppengesicht.
„Wie geht es dir?“, fragte ich sie nach einer langen Umarmung.
Sie strahlte mich an: „Ich bin so froh, dass ich damals nicht davongelaufen bin“, sagte sie. „Papa Sunday trägt mich auf
Händen. Ich habe großes Glück gehabt, Choga. Man soll wirklich nicht immer nach dem ersten Eindruck urteilen. Und du, meine Schwester? Du scheinst keine sehr glückliche Braut zu sein? Oder täusche ich mich?“
„Na ja, geträumt habe ich von Papa Felix nicht gerade“, murrte ich.
„Du musst euch beiden Zeit lassen, Choga. Das Eheleben hat durchaus angenehme Seiten.“ Sie zwinkerte mir zu. Da machte sich ihr Ehemann, Papa Sunday, bemerkbar und rief sie zu sich. Bevor sie ging, sagte sie: „Komm nachher zur Wohnung meiner Mutter. Dann reden wir weiter!“
Ich nahm von allen Seiten Glückwünsche entgegen und arbeitete mich allmählich aus dem Gemeinschaftshaus hinaus zu dem Haus, in dem Mutter, Mama Bisi und Mama Ada wohnten. Der Regen hatte aufgehört und ich genoss die gereinigte Luft. An Mama Bisis Wohnung waren die Fenster hochgeschoben, daher hörte ich bereits vom Hof die Stimme meiner Lieblingsmama. Ich lief auf Zehenspitzen zum Fenster, um sie und Efe zu erschrecken.
Da vernahm ich die Stimme meiner Mutter. „.. meine liebe Bisi, ich weiß ja, dass du Recht hast, aber mir wollte keine andere Lösung einfallen.“
„Hast du denn nicht gesehen, wie unglücklich unsere Kleine ist? Felix ist kein guter Mann.“ Mama Bisi klang besorgt.
„Viele Familien vorstände sehen in ihm nun mal den starken Mann. Und David ist zu angeschlagen. Wenn er sich gegen Idus Vision gestellt hätte, dann hätten das alle als ein Zeichen verstanden, dass David seinem eigenen Stellvertreter nicht mehr traut. Der Machtkampf wäre
Weitere Kostenlose Bücher