02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
unausweichlich gewesen. Ich habe das mit David lange besprochen. Es gab keinen Ausweg! „ Mutter redete zwar gedämpft, aber ihre Erregung war deutlich herauszuhören.
„Unsere Kleine als Spielball, damit die Männer sich gegenseitig in Ruhe lassen.
Lisa, das hat sie nicht verdient!“
„Weißt du, was Felix auf der Farm gesagt hat? Wenn Papa David sich Idus Vision widersetzt hätte, dann hätte er ihn aus der Familie ausschließen lassen, weil er sich damit über die Worte Gottes hinweggesetzt hätte. Bisi, dieser Mann hat damit gerechnet, dass er Choga nicht zur Frau bekommt. Ja, insgeheim hat er es sogar gehofft! Wir können Gott dankbar sein, dass Papa David so weise war, seinen Stellvertreter zu durchschauen. Choga glaubt mir nicht, aber Felix weiß es ebenso wie jene, die in der Familie das Sagen haben: David liebt mein Kind sehr. Dass er sie seinem Stellvertreter zur Frau gibt, stärkt das Ansehen von Felix innerhalb unserer Gemeinschaft enorm.
Er wird David nicht gefährlich werden, da die Ehe mit Choga seine Position aufwertet.“
„Der Preis, den das Mädchen dafür zu zahlen hat, ist zu hoch, Lisa. Ihr spielt mit dem Schicksal unserer Kleinen.“
„Ich bin vor bald 17 Jahren hierhergekommen und war lange eine Außenseiterin.
Nicht zuletzt dir habe ich es zu verdanken, dass ich im Harem Fuß fassen konnte. Aber sollte ich nach so langer Zeit alles wegwerfen, wofür ich gekämpft habe? Riskieren, dass dieses Zuhause, das so viele Menschen beschützt, kaputt geht? Ich musste abwägen. Chogas und mein Leben gegen so viele. Bitte sage mir: Wie sollte ich eine richtige Entscheidung treffen? Darum habe ich diesen Weg gewählt.“
„Nein, nein, Lisa, was geschieht, ist nicht richtig. Man darf Gottes Wille nicht missbrauchen, um damit Politik zu machen.“
„Du kannst es auch noch anders ausdrücken. Und ich weiß, dass du es tätest, wenn du mich nicht so lieben würdest. Dann würdest du mir nämlich sagen, wie es ist: dass ich meine Tochter geopfert habe.“
„Geliebte Lisa, das würde ich nicht einmal denken!“, protestierte Mama Bisi laut.
„Aber du hättest Recht damit. Gott weiß, dass du Recht hättest. Und er wird mich für meine Feigheit strafen.“
Wie erstarrt stand ich neben dem Fenster, den Rücken gegen die Mauer gepresst.
Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht.
Das „Band der Liebe“ war nichts anderes als eiskaltes Kalkül. Seltsamerweise empfand ich keine Wut über diese Erkenntnis. Ich blieb ganz ruhig. Als ich aus der Fensteröffnung ein unterdrücktes Schluchzen hörte, lugte ich vorsichtig um die Ecke. Mutter kniete am Boden vor Mama Bisi. Sie hatte den Kopf in den Schoß meiner Lieblingsmama gebettet, die Mutters Kopf und Schultern streichelte. Tiefe Vertrautheit lag in dieser wundervoll zarten Geste.
Ohne nachzudenken, ging ich vorsichtig ums Haus herum, öffnete die Tür zu Mama Bisis Räumen und betrat das Zimmer auf Zehenspitzen. Mutter war zu tief in ihrem Schmerz versunken, um mich zu hören. Aber meine Patentante sah mich an. Zuerst lag ein leichtes Erschrecken in ihren Augen, dann nickte sie mir stumm zu. Ich kniete mich neben meine Mutter und begann sie ebenfalls zu streicheln. Eine wohlige Wärme überflutete mich, ein Gefühl der Liebe, des Verstehens und Verzeihens. Verwundert drehte Mutter mir ihr verweintes Gesicht zu.
„Du hast alles gehört?“
„Gott wird dich nicht strafen, Mama. Ich werde alles tun, wie du es willst.“
„Ich habe ihm sehr viel Geld gegeben, mein Kind, damit er sich an unsere Abmachung hält“, presste meine Mutter hervor. „Das sollst du auch wissen.
Wenn er dir das jemals an den Kopf werfen sollte, dann sage ihm, dass er nicht besser ist als ich. Er und ich, wir sind quitt. Wir haben beide gegen die Gebote verstoßen.“
Ein mehr organisatorisches Problem dieses Tages half mir allerdings Bisi zu lösen, und zwar mit einer blutigen Monatsbinde, die es Papa Felix' ältester Frau ratsam erscheinen ließ, die Nacht selbst an der Seite des Bräutigams zu verbringen. Somit flog die Absprache zwischen Mutter und Felix nicht schon im Compound auf.
In meiner letzten Nacht im Harem, meiner „Hochzeitsnacht“, schlief ich noch einmal im „Hühnerhaus“. Zum letzten Mal. Ich unterhielt mich die ganze Zeit mit den anderen Mädchen. Keine schien mich um mein Los zu beneiden. Sie waren jedoch alle der Meinung, dass ich es schlimmer hätte treffen können, als ausgerechnet einen Mann wie Papa Felix heiraten zu müssen.
Am
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