02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
selbst Leid, sank zusammen und begann zu heulen. Als ich wieder etwas wahrnahm, hatte sich der dicke dreibeinige Corn an mich gekuschelt. Er, der mir einst das Leben gerettet hatte, versuchte mich auch jetzt zu trösten. Dabei war er selbst nur noch ein Häufchen Elend.
Ich wusste nicht mehr, wohin ich mich wenden sollte. Unsere kleine Kirche erschien mir, da ich mich gerade so sehr versündigt hatte, nicht der richtige Ort.
Also verkroch ich mich im Gewächshaus. Meine Tomaten waren zum größten Teil eingegangen, Jo hatte keine Zeit gehabt, sich auch noch darum zu kümmern. Die kraftlosen Pflanzen erschienen mir wie ein Abbild meiner selbst.
Vertrocknete Kümmerlinge, die mich traurig machten. Mechanisch begann ich, sie aus der Erde zu rupfen und sie auf den Boden zu werfen. Das machte alles noch schlimmer, denn nun zog ich eine Spur der Verwüstung hinter mir her.
Corn folgte mir schwerfällig, sah mich vorwurfsvoll an. Ich beschimpfte ihn, schrie ihn an, mich allein zu lassen. Da rollte der kleine dicke Kerl sich winselnd auf den Rücken, seine Demutsgeste, mit der er sich ergab. Das hatte er nicht verdient! Ich beugte mich zu ihm herunter und bat ihn um Verzeihung. Er leckte meine Hände, obwohl er den scharfen Geruch der Tomatenstauden nicht mochte. Wie einfach die Verständigung mit einem Tier war. Und wie schwer mit den Menschen ..
Idu war noch am Morgen ihres Todestages begraben worden. Da ich nicht dabei gewesen war, führte Corn mich ein paar Tage später zu der Stelle - einem kleinen Hügel aus trockener Erde und Steinen. Der Boden war hart. Es war gewiss nicht einfach gewesen, ihn aufzubrechen. Man hatte Idu nicht tief genug in die Erde gebettet. Die Hunderotten hatten sich über das frische Grab hergemacht. Dies war wirklich der unwürdigste Ort, an dem ein Mensch seine letzte Ruhe finden konnte.
Idu war eine Nomadin gewesen, auf der Suche nach dem Glück. Damit sie es -
zumindest für eine kurze Zeit - finden konnte, hatte sie schwere Schuld auf sich geladen. Aber das, was ich dort sah, das war zu viel der Strafe. Es war, was ich in der Nacht ihres Todes ausgerufen hatte: ein Fluch über den Tod hinaus.
Ich holte Hacke und Schaufel, warf noch mehr Erde auf das Grab und befestigte es mit großen Steinen. Mein Körper schmerzte und je mehr er unter der großen Anstrengung litt, desto mehr hoffte ich, meine Schuld wieder abtragen zu können. Wer war ich, dass es mir zustand, Idus Handeln zu verurteilen?
Erschöpft sank ich auf den befestigten Grabhügel und erwartete den Sonnenuntergang.
Das Fest des Teufels
Als ich einige Tage später mittags auf meinem Bett lag, weil ich während der heißesten Stunden des Tages sonst ständig unter den Wasseransammlungen in meinen Beinen und Händen litt, kam eine meiner Mitfrauen in den Raum. Ich solle zu Felix gehen, sagte sie. Wie eine Ziege, die zum Schlachten geführt wird, trottete ich in sein Zimmer.
Mein Mann erwartete mich neben dem Telefon, den Hörer in der Hand. „Deine Mutter möchte mit dir sprechen“, meinte er. Damit hatte ich am wenigsten gerechnet. Meine Gedanken überschlugen sich. Jo hatte sie inzwischen sicherlich angerufen. Aber wieso trug Felix dann so einen zufriedenen Ausdruck zur Schau? Hatte sie ihm denn nicht gehörig die Meinung gesagt?
„Mutter?“, fragte ich bang.
„Choga Regina, dein Vater ist vor zwei Stunden gestorben. Möge Gott seiner Seele gnädig sein.“
„Amen“, sagte ich.
„Es war der Wille deines Vaters“, fuhr sie fort, „dass Felix sein Nachfolger wird als Oberhaupt der Familien. Er wird ab sofort den Harem leiten. Das bedeutet, dass ihr so schnell wie möglich nach Lagos kommen müsst, um hier zu leben.“
Unzählige Fragen gingen mir durch den Kopf, aber Felix stand nur wenige Meter neben mir, hörte genau zu. Mir blieb nur die Möglichkeit, Deutsch zu sprechen, damit er mich nicht verstehen konnte. „Ich bin schwanger, Mutter, er fällt ständig über mich her. Ich halte das nicht länger aus. Hat Jo dich nicht angerufen?“
Felix hatte auf die Gabel gedrückt und im nächsten Augenblick bekam ich einen Schlag aufs Auge, der mich auf dem Bett landen ließ. Während mein Mann mich beschimpfte, wie ich es wagen könne, in seiner Gegenwart in einer fremden Sprache zu sprechen, riss er mir das Kleid vom Leib. Dann tat er, womit er sich selbst beweisen konnte, dass ich sein Eigentum war. Fünf Minuten später schickte er mich aus dem Zimmer.
Mein Auge war inzwischen zugeschwollen und in meinem
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