02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Nacht, der abnehmende Mond stand kalt am Himmel. Jo und ich hatten in den vorangegangenen Tagen eine kleine Zisterne angelegt, aus der wir die Ziegen tränkten. Ich stieg hinein, doch es war zu wenig Wasser darin. Also hockte ich mich hinein und reinigte meinen Unterleib so gut es ging mit dem kalten Wasser. Stunden später, oder vielleicht waren es auch nur Minuten, die ich in der muffigen Ziegentränke verbrachte, kroch ich am ganzen Körper zitternd wieder hinaus. Die Nächte können kalt sein auf der Hochebene. Mein geschändeter Leib bot mir keinen Schutz. Irgendwann schlich ich zurück ins Haus, krabbelte erschöpft auf mein
Nachtlager und fand dennoch keinen Schlaf. Immer wieder raste eine Frage durch meinen Kopf: Wie oft würde dieses Tier das noch mit mir machen? So lange, bis ich mich ihm endlich freiwillig ergab? Oder bis ich einen dicken Bauch davon bekam?
In jener Nacht fasste ich einen Entschluss. Ich würde Felix den einen Triumph unter keinen Umständen gönnen, auf den er aus war: mich zu besiegen! Also raffte ich mich am Sonntagmorgen auf und schleppte mich zum wöchentlichen Fest in die Kirche, sang und tanzte mit. Ich sang lauter und tanzte wilder als die anderen, bewegte mich wie eine Rasende, warf die Arme in die Luft, schrie und gebärdete mich wie wild. All meine aufgestaute Wut ließ ich hinaus. Es war mir egal, was die Versammlung über mich dachte. Ich scherte mich auch nicht darum, ob Felix mich begehrte oder verachtete. Es war mein Tanz, meine Verzweiflung. Wenn ich meinem Leben schon nicht entkommen konnte, so wollte ich ihm wenigstens in diesem Augenblick entfliehen. Alles um mich herum drehte sich, dann versagten mir die Beine den Dienst. Ich fiel auf den festgestampften Lehmboden. Als ich hochblickte, sah ich direkt in das Gesicht des schwarzen Jesus, den Jo einst geschnitzt hatte. Er schien Mitleid mit mir zu haben.
Noch am gleichen Tag wurde ich krank und bekam Schüttelfrost. Vielleicht hatte ich mich erkältet, als ich nackt in der Zisterne „badete“. Vielleicht gab mein Körper wieder mal das übliche Signal, wie immer, wenn ich mit meiner Umgebung einfach nicht mehr zurecht kam und Ruhe brauchte. Mit hohem Fieber lag ich im Bett und fantasierte die scheußlichsten Dinge. Ausgerechnet Idu, meine Trauzeugin, der ich all dies Unglück zu verdanken hatte, übernahm meine Pflege: Sie brachte mir dreimal am Tag Tee. Die anderen Mitfrauen ließen sich nicht bei mir blicken und Jo durfte das Haus ohnehin nicht betreten.
Ich vermisste ihn schrecklich. Rhoda, meine Zimmergenossin, lebte in dieser Zeit bei Felix. Ich hörte, wie sie nachts quietschende Töne von sich gab, und war froh, dass nicht ich das Ziel seiner „Zuneigung“ war.
Kaum war ich gesund, rief mich Felix zu sich. Ich hatte nicht die Kraft, mich zu wehren, was mir wenigstens die mit der Demütigung einhergehende zusätzliche Gewalt ersparte. Mechanisch machte ich, was verlangt war. Irgendwann tat es auch nicht mehr weh, jedenfalls nicht körperlich. Felix bestand darauf, dass ich in diesen Nächten bei ihm blieb. Ich durfte mich nicht in mein eigenes Bett zurückziehen. Konnte mich danach nicht einmal von den Spuren reinigen, die er hinterlassen hatte. Musste neben ihm liegen, seinen Atem hören, sein zufriedenes Schnarchen ertragen, seine Ausdünstungen riechen. Schweißnass fuhr ich hoch, sehnte das Ende der langen Nacht herbei und fürchtete gleichzeitig den Morgen, der nichts als die Angst brachte, meinem Mann erneut zur Verfügung stehen zu müssen.
In diesen nicht enden wollenden Stunden, in denen das Geheul der Hundemeute draußen klang, als würden sie über mein Elend lachen, über meinen Hochmut, der mich hatte annehmen lassen, dass ich diesem Mann tatsächlich gewachsen sein könnte, dachte ich oft an Selbstmord. Fegefeuer, Hölle? Warum sollte ich mich davor fürchten? Felix hatte mir meine Würde, mein Ich, meine Werte gestohlen. Und mit jedem Tag, den ich den Bauch meiner Trauzeugin Idu anschwellen sah, wurde mir vor Augen geführt, dass er mir auch mein Leben stahl. Die permanenten Angriffe, meistens zweimal am Tag, würden früher oder später Folgen haben, die ich unter keinen Umständen wollte. Das Schlimmste an diesen Gedanken war, dass ich sie mir selbst verbieten musste. Sie waren unchristlich, verstießen gegen die wichtigsten Gebote. Nicht einmal Jo konnte ich mich in diesen schweren Zeiten anvertrauen.
In den folgenden Wochen war ich ständig krank, was natürlich auch Felix bald als
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