02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren
Flucht vor meinem „Eheleben“ durchschaute und keine Rücksicht mehr darauf nahm. Meiner Arbeit auf der Farm ging ich längst nicht mehr nach, was sich zudem nachteilig auf die Einkünfte auswirkte, die wir jedoch dringend zum Leben brauchten. Jo sah ich überhaupt nicht
mehr, da ich meine Tage nur noch im Haus verbrachte. Mir war ohnehin alles gleichgültig geworden, sogar Corn. Ich döste genauso stumpf vor mich hin wie meine Mitfrauen, bereitete gemeinsam mit ihnen das Essen zu, aß aber fast nichts. Als dann meine Regel ausblieb, war mir nicht einmal mehr diese Verschnaufpause vergönnt, in der Felix mich nicht anrührte. Schließlich berichtete ich Idu, dass ich wohl schwanger sei, doch sie glaubte mir nicht. Ein paar Tage später erbrach ich zum ersten Mal.
Aus dem Harem wusste ich, dass die Schwangeren nicht mehr das Bett mit Papa David teilten. Schließlich hatte der Beischlaf nicht den Sinnesfreuden, sondern der Fortpflanzung zu dienen. Entsprechend hoffte ich, dass der unermüdliche Zeugungswille von Felix nun endlich erlahmen würde. Da zu diesem Zeitpunkt aber alle anderen Mitfrauen ebenfalls mit dicken Bäuchen durch die Gegend liefen, legte sich Felix in den ersten Monaten mir gegenüber keine wesentliche Mäßigung auf.
Meine ständige Niedergeschlagenheit ließ nicht zu, dass ich meine übliche Arbeit wieder aufnehmen konnte. Manchmal fand ich mich irgendwo im Treibhaus wieder, wusste jedoch nicht, wie ich dorthin gekommen war oder wie lange ich schon vor einer Tomatenstaude gestanden hatte. Wie eine Schlafwandlerin lief ich durch die Gegend. Einmal begann ich am frühen Morgen eine Ziege zu melken, die ich an einen Pflock gebunden hatte. Als ich wieder zu mir kam, war der Eimer immer noch leer, das Euter prall und die Sonne stand hoch am Himmel.
Irgendwann fand Jo mich in diesem Zustand. Ich hatte ihn längere Zeit nicht gesehen, doch war es mir nicht einmal aufgefallen. So sehr war ich mit mir und meinen Problemen beschäftigt. „Was macht dieser Mann mit dir?“, sagte er vorwurfsvoll, führte mich in den Schatten und gab mir zu trinken.
Ich sah meinen Bruder an und sagte: „Ich will nicht mehr leben.“
Jo packte mich an den Schultern, rüttelte mich: „Das darfst du nicht sagen, Choga. Gott hat dir dein Leben geschenkt.“
„Warum, Jo? Damit ich benutzt werde wie ein Tier?“
Mein Bruder wurde wütend: „Felix ist dein Mann! Du bist vor Gott mit ihm verheiratet! So darfst du nicht reden!“
„Ich darf nicht, ich darf nicht! Nichts darf ich. Nur ihm zu Willen sein. Das ist doch nicht richtig! So behandelt Papa David seine Frauen nicht. Sieh dich doch um. Wir sind alle schwanger, niemand arbeitet und Felix hurt herum. Ein Mann kann doch nicht alles dürfen!“
Jo schwieg eine Weile. „Gut“, sagte er dann, „ich werde zum Telegrafenamt fahren und Papa David anrufen. Ich werde ihm alles erzählen.“
Ich erwähnte Vaters Erkrankung nicht. Vielleicht ging es ihm ja inzwischen besser. Es war zwar eine schwache Hoffnung, aber sie gab mir für die nächsten Tage Auftrieb.
Am darauf folgenden Morgen herrschte furchtbare Hektik, die Frauen drängten sich aufgeregt in Idus Zimmer. Daher nahm ich an, dass die Geburt ihres Kindes bevorstand. Doch dann hörte ich lautes Wehklagen und Rhoda trug eine zugedeckte Schale aus Idus Zimmer. Der Gestank, der davon ausging, war bestialisch.
„Es ist besser so“, sagte die ebenfalls schwangere Rhoda, als wüsste ich, was geschehen sei. „Es war ein Kind der Sünde.“ Dann stellte sie die Schale vor das Haus. Als sie zurückkam, sah sie mich mit einem leichten Lächeln an. „Nun braucht Papa David es nicht zu erfahren. Du wirst doch auch schweigen, nicht wahr, Choga?“
Zerstreut stimmte ich zu und nahm das alte Tuch von der Schale.
„Lass das!“, schrie meine Zimmergenossin entsetzt und zog mich fort.
Aber ich hatte es bereits gesehen. Idus Baby war nicht mehr als kleiner Mensch zu erkennen. Ich machte mich frei und eilte so schnell ich konnte davon.
Der Anblick ließ mich wochenlang nicht mehr los. Das Baby war schon lange tot gewesen, bevor es auf die Welt geholt worden war.
Idu vergrub sich nach dem Vorfall in ihrem Zimmer, aber keine der anderen Frauen wollte sie versorgen. Dass ein Baby tot geboren wurde oder bei der Geburt starb, kam hin und wieder vor. Das war der Lauf der Natur. Idu hingegen hatte wochenlang ein totes Kind in ihrem Leib gehabt. Das war mehr als ein Schicksalsschlag. Es war ein Zeichen Gottes, der die
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