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02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren

Titel: 02 - Hinter goldenen Gittern - Ich wurde im Harem geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
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hätte ich Papa David in diesem Augenblick sagen mögen, doch mein Kopf war leer. All der Groll, den ich zeitweise ihm gegenüber empfunden hatte, war verschwunden. Ich stand vor einem Mann, dem im Tode noch anzusehen war, dass er in den letzten Wochen seines Lebens Schreckliches mitgemacht hatte. Er hatte sein ganzes Wirken auf andere ausgerichtet; es war sein Ziel gewesen, den Menschen Selbstvertrauen und Selbstachtung zu schenken. Da draußen aber lief ein Mann herum, der Vaters Lebenswerk mit Füßen trat, indem er die Menschen verachtete, die ihm ergeben waren. Mich überfiel ein leichter Schüttelfrost, was sicher auch an den eisigen Temperaturen lag, die hier drinnen im Gegensatz zu der schwülen Hitze draußen herrschten.
    Erregte Stimmen unterbrachen meine traurigen Gedanken. Energisch forderte eine Frau, dass man ihr gefälligst helfen möge. Dann spürte ich Mutters Hand in meiner.
    „Sag ihm jetzt Lebewohl, mein Kind. Es geht los. Da draußen, das ist Amara.“
    Ich beugte mich über Vaters Stirn und küsste ihn. „Tut mir Leid, dass ich nicht bei deinem letzten Gang dabei bin, Papa.“ Tränenblind ließ ich mich von meiner Mutter zum hinteren Ausgang des Sterbezimmers führen.
    „Tu einfach, was Amara sagt, mein Kind. Für einen Abschied bleibt keine Zeit.“
    Sie drehte meinen Oberkörper zu sich herum und küsste meine Stirn. „Gott segne dich.“
    Sekunden später befanden wir uns in einem Knäuel von Menschen. Ich hatte Probleme, überhaupt noch die Orientierung zu behalten, mein Kopf schwirrte vor lauter Stimmen.
    „Seht ihr denn nicht, dass ich mir den Arm gebrochen habe, ihr gefühllosen Burschen!“, wetterte die Heilerin.
    „Wir müssen aufpassen, dass niemand hereinkommt“, lautete die Antwort.
    „Da sind ja ein paar Frauen. Könnt ihr mir wenigstens helfen? Ich habe Geschenke im Auto für Papa David. Euer Mann war mir immer ein verlässlicher Geschäftspartner. Ich schulde ihm diesen letzten Dienst!“, so ähnlich plapperte Amara drauflos, in meinen Ohren hallte alles wider.
    Wir schoben uns an den Wachen vorbei zu Amaras Lieferwagen, der halb voll mit Geschenken war. Kisten mit verlockend duftendem Obst und bereits fertig zubereiteten Speisen. Mechanisch half ich, den Wagen zu entladen. Die Wachen bekamen Stilaugen, als all die leckeren Sachen an ihnen vorbeigetragen wurden.
    Mama Ada blieb vor einem der Wächter stehen und bot ihm gebratenes Fleisch an. Diesen Augenblick nutzte Amara, um mich in den Wagen hineinzuschieben.
    „Hinhocken“, flüsterte sie. Im nächsten Augenblick verschwand ich unter einer schweren Decke. „Nicht bewegen.“
    In meinem Kopf hörte ich das Blut rauschen, das Herz schlug mir bis zum Hals.
    Mit lautem Knallen wurden die Hecktüren geschlossen, wenig später vibrierte der Motor, dann holperte der Wagen über die unasphaltierte Straße. Ich konnte mich nicht mehr halten, ließ mich zur Seite rollen und schlug gegen irgendetwas Hartes. Ein Gegenstand fiel auf meine Beine. Dann kullerten mehrere runde rote Früchte vor mein Gesicht. Ich erkannte den Geruch wieder. Es waren Tomaten.
    Dieser Duft weckte all die Bilder meiner Erinnerung, schwemmte mich gewissermaßen fort. Ich lag am Boden, heulte und schluchzte hemmungslos.
    Ich war gerettet. Ja, das schon. Aber ich hatte jeden Menschen, den ich liebte, verloren. Ich war wie ein neugeborenes Baby, dessen Nabelschnur von einer Sekunde zur anderen durchtrennt wird. Und das mit nichts als seiner nackten Haut in diese Welt hinausgeschickt wird. Um ganz neu anzufangen. Mutter, Mama Bisi und Mama Ada waren zurückgeblieben. Ich wusste nicht, was mit ihnen geschehen würde. Nur eines war mir klar: Sobald Felix von meiner Flucht erfuhr, würde er die drei zur Rechenschaft ziehen.
    Denn der Platz neben Rhoda blieb leer. Für immer.
    Schreie in der Nacht
    Vor dem Haus weist das fantasievoll bunte Schild Herbalist auf Amaras Hauptberuf hin. Amara bezeichnete sich selbst als Heilkundige, die mit Naturmitteln arbeitet, mit herbs, Kräutern. Neben dieser Tätigkeit ging sie damals aber noch jener Arbeit nach, durch die sie Mutter kennen lernte. Sie bildete Mädchen zu Hausangestellten aus. Amara genießt bis heute das Leben, das sie sich leisten kann. In erster Linie sieht man das an ihrem Leibesumfang.
    Sie isst für ihr Leben gern, kleidet sich auffällig und liebt Schmuck, der allerdings nicht wertvoll ist.
    Amaras Compound hatte sich nicht sehr verändert, seitdem ich als Kind dort gewesen war, aber ich sah ihn

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