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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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mir
    stand und eine leere Kaffeetasse in seiner Hand hielt.
    »Was schwatzen Sie da?« fragte Tweed mit laut bellender
    Stimme.
    »Ich erklärte Miss Next gerade, dass Sie uns alle für Weicheier halten«, erläuterte Deane.
    Harris trat einen Schritt näher und starrte erst Deane und
    dann mich mit seinen tiefbraunen Augen an. Er war ungefähr
    fünfzig und graumeliert und seine Haut war so straff, als wäre
    sie für einen viel kleineren Schädel gemacht worden.
    »Hat Havisham Ihnen schon vom Brunnen der Manuskripte
    erzählt?« fragte er.
    »Der Warrington-Kater hat ihn erwähnt«, sagte ich. »Es geht
    um unveröffentlichte Bücher, nicht wahr?«
    »Nicht nur das. Der Brunnen der Manuskripte ist der Ort,
    wo sich vage Ahnungen zu Figuren und Handlungsfäden verknüpfen. Er ist das Quellgebiet der schöpferischen Ideen. Der
    Sprach-Schoß. Wenn Sie da hinunter kommen, sehen Sie Tau-sende von Handlungsentwürfen, die auf den Regalen gären wie
    Urschleim oder Bakterienkulturen. Grob skizzierte Romangestalten flitzen über die Korridore und suchen nach Dialogen und
    Handlungssträngen, bevor sie in die Geschichte gewebt werden.
    Und wenn sie Glück haben, findet das Manuskript einen Verleger und steigt als Buch in die Große Bibliothek auf.«
    »Und wenn sie kein Glück haben?«
    »Dann bleiben sie im Tiefgeschoss. Aber das ist noch nicht
    alles. Unter dem Brunnen der Manuskripte gibt es noch eine
    Ebene. Tiefgeschoss 27. Es wird nur selten davon gesprochen.
    Dort landen die schlechten Ideen, unausgereiften Handlungselemente, gestrichenen Figuren und illoyalen JurisfiktionAgenten und dämmern in ewiger Verdammnis dahin. Merken
    Sie sich das!«
    Ich war zu erschrocken, um etwas zu sagen. Hatte er mich
    durchschaut?
    Tweed warf mir einen scharfen Blick zu, füllte seine Kaffeetasse und ging.
    »Ammenmärchen«, sagte Vernham. »Es gibt kein 27. Tiefgeschoss.«
    »Ist das so eine Art Kinderschreck wie der Jabberwocky?«
    »Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Deane nachdenklich.
    »Den Jabberwocky gibt es tatsächlich. Schrecklich netter Kerl.
    Angelt gern und spielt hervorragend Bongos. Ich werde Sie mal
    miteinander bekannt machen.«
    Ich hörte Miss Havisham rufen und sagte: »Ich glaube, ich
    muss jetzt gehen.«
    Vern warf einen Blick auf die Uhr. »Ja, gewiss. Herrje! Ist es
    wirklich schon so spät? Hey-ho! Man sieht sich, okay?«
    Trotz Vernhams Beruhigungsversuchen beunruhigten mich
    Harris Tweeds Drohungen. Würde er mich ins 27. Tiefgeschoss
    sperren lassen, wenn ich versuchte, in Poes Gedicht einzudringen? Und wie viel Training würde ich wohl brauchen, ehe ich
    versuchen konnte, Jack Schitt zu befreien? Tief in Gedanken
    versunken kehrte ich zu Miss Havisham zurück, die sich einen
    Tisch gesucht hatte, der so weit wie möglich von der Herzdame
    entfernt war.
    Ich stellte ihr den Tee hin und fragte: »Was wissen Sie über
    das Tiefgeschoss 27?«
    »Ammenmärchen«, sagte Miss Havisham. »Hat dich einer
    der Agenten einzuschüchtern versucht?«
    »Ja, so ähnlich.«
    Während sie ihren Tee trank, sah ich mich um. Meine Augen
    blieben an dem schimmernden Grammophontrichter hängen,
    der aus einem kleinen, messingbeschlagenen Holzkästchen auf
    dem Schreibtisch aufragte. Er sah aus, als ob ihn Thomas Edison erfunden hätte.
    Miss Havisham hob den Kopf, und als sie sah, dass ich die
    Gebrauchsanweisung zu lesen versuchte, die auf die Messingplatte graviert war, sagte sie: »Das ist ein Fußnotofon. Benutzen
    wir für Gespräche von Buch zu Buch oder Außenweltanrufe.
    Probier's ruhig aus!«
    Ich nahm den Trichter und blickte hinein. Er war mit einem
    Korken verstopft, der mit einem kleinen Kettchen am Gerät
    festgemacht war.
    »Du brauchst nur den Titel des Buchs, die Seite und die Figur
    zu nennen, die du anrufen willst.«
    »So einfach ist das?«
    »So einfach ist das.«
    Ich zog den Stöpsel heraus und hörte eine Stimme. »FNFServices, was können wir für Sie tun?«
    »Äh, nichts danke!«
    »Vielen Dank, dass Sie FNF benutzt haben.«
    Hastig stöpselte ich das Fußnotofon wieder zu.
    »Du wirst dich schon daran gewöhnen«, sagte Miss Havisham und legte ihre Akten beiseite. »Ach, ich hasse diesen Papierkram! Komm, wir gehen zu Wemmick ins Magazin! Ich
    mag ihn, und du wirst ihn auch mögen. Hast du deinen Tee
    ausgetrunken?«
    Hatte ich natürlich nicht, aber Miss Havisham fasste mich
    am Ellbogen und schon waren wir in der großen Eingangshalle
    der Bibliothek, direkt neben dem Boojumorial. Unsere

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