02_In einem anderen Buch
ich mich von dem schwer beschädigten Herrenhaus entfernte und die Auffahrt hinunterging, kam mir ein weißes
Schlachtross mit einem geharnischten Ritter entgegen, der seine
spitze Lanze eingelegt hatte. Ein großer weißer Hund lief bellend hinter ihm her. Als der Ritter mich sah, hielt er an.
»Ah!« sagte er, schob das Visier hoch und spähte auf mich
hinunter. »Sie sind das Next-Mädchen, was was? Haben Sie das
Questing Beast gesehen, was was?«
»Ich fürchte, Sie haben es verpasst, Majestät. Tut mir leid«,
sagte ich.
»Schande«, sagte König Pellinore und parkte seine Lanze in
dem an seinem Sattel befestigten Schuh. »Echt eine Schande!
Aber ich finde das Biest, das sage ich Ihnen! Das ist das Schicksal der Pellinores, dem biestigen Biest nachzujagen. Auf geht's,
mein wackeres Schlachtross!«
Er gab seinem Schimmel die Sporen und galoppierte über
den Rasen davon. Die Hufe des Pferdes rissen die Grasdecke auf
und warfen große Klumpen Erde hoch in die Luft. Der große
weiße Hund lief bellend hinter ihm her.
Ehe ich in meine Wohnung zurückkehrte, rief ich noch schnell
beim Mole an, um dem Blatt einen anonymen Hinweis zu
geben.
»Prüfen Sie doch mal, ob das Cardenio-Manuskript noch existiert!« sagte ich.
Dass ich die Wohnung noch hatte, bestätigte eindeutig, dass
Landen noch nicht zurückgekehrt war. Wie hatte ich bloß
annehmen können, dass Goliath seinen Teil der Vereinbarung
einhalten würde? Ich war eine Närrin. Ich saß eine Weile im
Dunkeln und grübelte vor mich hin. Aber auch Narren brauchen Erholung. Ich ging also schlafen, legte mich aber vorsichtshalber nicht ins Bett, sondern darunter.
Und das war auch gut so. Denn pünktlich um drei Uhr morgens erschien Goliath bei mir in der Wohnung, schaute sich um
und verschwand wieder. Ich hielt mich trotzdem weiter verborgen und bereute auch das nicht; denn um vier Uhr morgens
kam SpecOps und schaute sich ebenfalls um. Erst jetzt war ich
überzeugt, keine weiteren Heimsuchungen mehr befürchten zu
müssen. Ich krabbelte aus meinem Versteck, legte mich in die
Federn und schlummerte tief und fest bis gegen Mittag.
31.
Supertraumsoße
Seit es die »kalorienbewusste Ernährung« gibt, hat das Reich
des Puddings riesige Einbußen hinnehmen müssen. Kaum
jemand kann sich heute noch an die Tage erinnern, als man
sich mit gutem Gewissen den unschuldigen Freuden eines
ehrlichen Sahnepuddings hingeben konnte, als Eiskrem
noch richtig lecker und Torte noch richtig süß war. Die
Welt der Süßigkeiten ist sauer geworden und muss sich
ständig anpassen, um von der Gesundheitswelle nicht gänzlich überrollt zu werden. Während schlichte Würstchen und
ein anständiges Kedgeree noch immer zur alltäglichen Küche gehören, muss der Pudding sich mächtig anstrengen,
um weiter unsere Geschmacksknospen reizen zu dürfen.
Erst war es »fettarm«, dann »fettfrei und ohne Zucker« und
was als Nächstes kommt, kann man nur ahnen …
CILLA BUBB
– Vergiss den Nachtisch nicht
Während des Frühstücks spähte ich vorsichtig aus dem Fenster
und entdeckte einen schwarzen SpecOps-Packard an der Straßenecke, der offensichtlich darauf wartete, dass ich auftauchte.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte eine tiefblaue
Goliath-Limousine. Mr Cheese lehnte am Kotflügel und rauchte. Ich stellte den Fernseher an. Der Bericht über den Einbruch
in Vole Towers war offenbar stark zensiert worden, aber die
Nachrichten ließen doch immerhin wissen, dass sich unbekannte Täter Zugang zur Bibliothek des Hauses verschafft und eine
Reihe von SO-14-Agenten umgebracht hatten, ehe sie mit dem
Cardenio-Manuskript flüchteten. Lord Volescamper war interviewt worden und hatte erklärt, er habe »tief und fest geschlafen« und wisse von gar nichts. Yorick Kaine galt nach wie vor
als »vermisst«, und die ersten Befragungen vor den Wahllokalen
deuteten darauf hin, dass die Whigs stark überschätzt worden
waren. Ohne den Cardenio waren die Shakespeare-Wähler
wieder zur gegenwärtigen Regierung zurückgekehrt, die versprochen hatte, den Abriss von Shakespeares altem Haus im 18.
Jahrhundert mit Hilfe der ChronoGarde zu verhindern.
Ich stellte die Nachrichten ab und ging in die Küche zurück.
Pickwick sah erst mich und dann ihren leeren Fressnapf anklagend an.
»Tut mir leid«, murmelte ich und schüttete ihr etwas Trockenobst hinein. »Wie geht's deinem Ei?«
»Plock-plock«, sagte Pickwick.
»Na schön, wie du willst«,
Weitere Kostenlose Bücher