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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Ein roter Teppich führte von den Eingangstüren
    herauf, und die Messingbeschläge schimmerten golden.
    »Hier ehren wir die Ausgebuchten«, sagte der Kater mit gedämpfter Stimme und zeigte mit der Pfote auf zwei Granitblöcke in der Größe hochkant stehender Lastwagen. Das Denkmal
    war geformt wie ein aufgeschlagenes Buch. Auf der linken Seite
    sah man eine Gestalt, die gerade zwischen den Zeilen verschwand. Auf der gegenüberliegenden Seite standen lange
    Reihen mit Namen. Ein Steinmetz war eifrig dabei, mit Hammer und Meißel einen neuen Namen hinzuzufügen. Er nahm
    seine Mütze ab und grüßte den Kater respektvoll, ehe er in
    seiner Arbeit fortfuhr.
    »Das alles sind Jurisfiktion-Agenten und Forscher, die in Erfüllung ihrer Pflichten gestrichen worden oder verschollen
    sind«, erklärte der Kater von seinem Sitzplatz auf dem Denkmal
    herunter. »Wir nennen es das Boojumorial.«
    Ich zeigte auf einen der Namen. »Ambrose Bierce war ein
    Jurisfiktion-Agent?«
    »Einer der besten. Ach, der liebe, süße Ambrose! Ein Meister
    der Prosa, aber schrecklich stürmisch und impulsiv! Er ging –
    ganz allein – in Das literarische Leben des Herrn Thingum Bob,
    Hochwohlgeboren, eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe,
    von der kein Mensch ahnte, dass sie irgendwelche Schrecken
    enthielt.«
    Der Kater seufzte.
    »Wie es scheint, hat er den Hintereingang zu Poes Gedichten
    gesucht. Wir wissen, dass man über ein instabiles Verb im
    dritten Absatz aus Thingum Bob in die Schwarze Katze gelangt,
    und von der Schwarzen Katze in den Fall des Hauses Usher,
    indem man sich einfach aus den Nicäischen Ställen ein Pferd
    leiht. Er hoffte wohl, sich über das Gedicht im Fall des Hauses
    Usher Zutritt zum restlichen lyrischen Werk des Autors verschaffen zu können, aber leider …«
    »Was ist denn passiert?«
    »Wir haben nie wieder von ihm gehört. Zwei andere
    Buchspürer sind ihm gefolgt. Der eine kam außer Atem, und
    der andere … Tja, der arme Ahab wurde völlig plemplem –
    dachte, ein weißer Wal wäre hinter ihm her. Wir vermuten,
    dass Ambrose sich irgendwo mit einer Kiste Amontillado
    verschanzt hat. Vielleicht ist er aber auch lebendig begraben
    oder hat irgendein anderes unaussprechliches Schicksal erlitten.
    Danach wurde beschlossen, Poe zum Sperrgebiet zu erklären.«
    »Und Antoine de St. Exupéry? Ist der auch bei einem Auftrag
    verschwunden?«
    »Nein. Er ist bei einem Erkundungsflug abgestürzt.«
    »Tragisch.«
    »Ja, sehr«, sagte der Kater. »Er hat mir vierzig Franc geschuldet, und er hatte mir fest versprochen, er würde mir beibringen,
    wie man Debussy mit Pomeranzen auf dem Klavier spielt.«
    »Pomeranzen?«
    »Pomeranzen. Tja, ich muss gehen. Miss Havisham wird Ihnen alles erklären. Gehen Sie durch die Türen in die Bibliothek,
    nehmen Sie den Aufzug zum vierten Stock, erster Gang rechts,
    dann stehen die Dickens-Titel auf der linken Seite. Große Er-wartungen ist grün gebunden, Sie sollten also keine Schwierigkeiten haben.«
    »Danke.«
    »Schon gut«, sagte der Kater und begann ganz langsam von
    der Schwanzspitze her zu verschwinden. Er bat mich noch, ihm
    einen Thunfisch-Moggilicious mitzubringen, wenn ich das
    nächste Mal wiederkam, dann war er weg, einschließlich des
    Grinsens, und ich stand allein vor dem grauen Boojumorial.
    Außer dem leisen Pochen des Hammers, mit dem der Steinmetz
    arbeitete, war nichts in der gewaltigen Halle zu hören.
    Ich erklomm die Marmortreppen, benutzte den schmiedeeisernen, reich mit Messing verzierten Lift und ging den Korridor
    hinunter, bis ich die Dickens-Romane erreichte. Die Großen
    Erwartungen waren mit nicht weniger als neunundzwanzig
    Exemplaren vertreten, sie reichten von den ersten Entwürfen
    bis zu den Ausgaben letzter Hand. Ich nahm den neuesten Band
    aus dem Regal, öffnete ihn beim ersten Kapitel und hörte den
    Wind in den Bäumen. Die Geräusche änderten sich, während
    ich weiterblätterte, von Seite zu Seite, von Szene zu Szene. Ich
    fand die erste Erwähnung von Miss Havisham, suchte nach
    einem guten Anfang und begann mir laut vorzulesen. Ich setzte
    meine ganze Willenskraft ein, um die Worte zum Leben zu
    bringen. Und sie lebten tatsächlich.

    17.
    Miss Havisham
    Große Erwartungen wurde 1860-61 geschrieben, um die
    Verkaufszahlen der von Dickens gegründeten Wochenzeitschrift All the Year Round zu verbessern. Der Roman galt als
    großer Erfolg. Die Geschichte von dem Schmiedelehrling
    Pip, der mit Hilfe eines anonymen Gönners zum

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