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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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zulassen. Ich nehme an, du weißt, dass ich ein Problem mit der
    Herzkönigin habe?«
    »Nein, ich –«
    »Die Hälfte von dem, was sie sagt, ist verrückt, und die andere Hälfte gehört nicht zur Sache. Mrs Nakijima hat dich sehr
    empfohlen, aber sie hat sich auch früher schon manchmal
    geirrt. Wenn du irgendwelchen Ärger machst, fliegst du hier
    raus, ehe du einmal ›Ketchup‹ gesagt hast. Kannst du Schnürsenkel binden?«
    Also kniete ich mich dort in Satis House auf den Boden und
    band Miss Havisham ihre Turnschuhe zu. Es wäre irgendwie
    ungehobelt gewesen, ihr den kleinen Gefallen nicht zu erweisen,
    und es machte mir wirklich nichts aus. Wenn Miss Havisham
    meine Lehrerin war, würde ich tun müssen, was sie mir sagte.
    Ohne ihre Hilfe würde ich nicht in den ›Raben‹ hineinkommen,
    so viel war klar.
    »Es gibt drei einfache Regeln, wenn du bei mir bleiben
    willst«, sagte Miss Havisham in einem Tonfall, der keinen
    Widerspruch zuließ. »Nummer Eins: Du tust genau, was ich
    sage. Nummer Zwei: Du wirst dir und mir jegliches Mitleid
    ersparen. Ich brauche keinerlei Hilfe. Was ich mir und anderen
    antue, ist ausschließlich meine Sache. Verstehst du?«
    »Und was ist mit der dritten Regel?«
    »Alles zu seiner Zeit. Ich werde dich Thursday nennen, und
    du nennst mich Miss Havisham, wenn wir zu zweit sind. In
    Gesellschaft erwarte ich, dass du mich mit Ma'am anredest.
    Wenn ich dich rufe – und das kann jederzeit sein –, erwarte ich,
    dass du springst. Lediglich Beerdigungen, Geburten oder Vivaldi-Konzerte haben Vorrang. Verstanden?«
    »Ja, Miss Havisham.«
    Ich erhob mich, und sie hielt eine Kerze vor mein Gesicht,
    um mich genauer zu mustern. Trotz ihrer bleichen Gesichtsfarbe glänzten ihre Augen recht hell, und sie war auch keineswegs
    so alt, wie ich gedacht hatte; alles, was ihr fehlte, waren ein paar
    anständige Mahlzeiten und viel frische Luft. Ich wollte fast
    schon etwas Aufmunterndes sagen, aber ihre eiserne Persönlichkeit bremste mich gerade noch rechtzeitig. Ich fühlte mich,
    als wäre ich gerade in die Schule gekommen und stünde zum
    ersten Mal meiner künftigen Lehrerin gegenüber.
    »Intelligente Augen«, murmelte sie. »Ehrlich und engagiert.
    Erschreckend selbstgerecht allerdings. Bist du verheiratet?«
    »Ja –«, sagte ich. »Das heißt: nein.«
    »Komm schon!« sagte Miss Havisham ärgerlich. »Das ist
    doch eine einfache Frage!«
    »Ich war verheiratet«, sagte ich schließlich.
    »Ist er gestorben?«
    »Nein –«, murmelte ich. »Das heißt: ja.«
    »Ich werde es künftig mit schwierigen Fragen versuchen«,
    erklärte Miss Havisham, »da du die einfachen offenbar nicht
    beantworten kannst. Hast du schon jemand vom JurisfiktionPersonal kennen gelernt?«
    »Ich kenne Mr Snell – und den Kater.«
    »Einer so unbrauchbar wie der andere«, erklärte sie kurz und
    bündig. »In der Jurisfiktion sind alle entweder Scharlatane oder
    Dummköpfe – außer der Herzkönigin, die ist beides. Wahrscheinlich ist es das beste, wenn wir mal nach Norland Park
    gehen, da können wir alle treffen.«
    »Nach Norland? Jane Austen? Verstand und Gefühl?«
    Aber Miss Havisham war schon einen Schritt weiter. Sie fasste mich am Arm, um einen Blick auf meine Uhr zu werfen, und
    ehe ich's mich versah, waren wir nicht mehr in Satis House,
    sondern standen in der Bibliothek. Während ich mich noch an
    diesen jähen Ortswechsel zu gewöhnen versuchte, las Miss
    Havisham etwas aus einem Buch vor, das sie aus dem Regal
    genommen hatte. Wieder wurden wir leicht gerüttelt, und
    plötzlich standen wir irgendwo in einer kleinen Wohnküche.
    »Was war denn das jetzt?« fragte ich alarmiert. Ich war an
    diese plötzlichen Reisen von einem Buch zum anderen einfach
    noch nicht gewöhnt, aber Miss Havisham schien sich gar nichts
    dabei zu denken.
    »Das war die Standardform eines Buch-zu-Buch-Transfers«,
    sagte sie. »Wenn du solo springst, geht das auch ohne den
    Umweg über die Bibliothek. Das ist sehr viel angenehmer. Die
    banalen Betrachtungen des Katers können einem schon auf den
    Geist gehen. Aber da ich gegenwärtig mit dir reise, ist der kurze
    Umweg über die Bibliothek leider nötig. Wir sind jetzt in der
    Backstory von Kafkas Prozess. Im Nebenzimmer findet gerade
    Josef K.s Anhörung statt. Du bist danach dran.«
    »Oh«, sagte ich. »Schön, dass ich das auch schon erfahre.«
    Der Sarkasmus ging an Miss Havisham spurlos vorbei, aber
    das war vielleicht auch ganz gut so. Ich sah mich um. Der

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