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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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dabei eine Pfote. »Ich denke, von Nacktblindheit haben Sie
    schon gehört, also wenn man Nackte nicht sehen kann?«
    »Dass manche Leute Nackte nicht sehen können, ist richtig«,
    erwiderte ich. »Aber eigentlich heißt es Nachtblindheit, und die
    Nacht kann man dabei durchaus sehen.«
    »Für mich klingt es, als wäre das alles dasselbe.«
    »Also gut«, sagte ich. »Nehmen wir mal an, ich leide tatsächlich unter Katzenblindheit. Wieso kann ich dann dich sehen?«
    »Wechseln wir doch einfach das Thema«, sagte der Kater
    und wedelte mit seiner Pfote. »Was halten Sie von der Bibliothek?«
    »Sie ist ziemlich groß«, sagte ich.
    »Zweihundert Meilen in jeder Richtung«, sagte der Kater beiläufig und fing an zu schnurren. »Sechsundzwanzig Stockwerke
    über der Erde, und noch einmal zwanzig darunter.«
    »Hier gibt es sicher ein Exemplar von jedem Buch, das je geschrieben worden ist«, sagte ich.
    »Von jedem Buch, das je geschrieben wurde und geschrieben
    werden wird«, korrigierte der Kater. »Und noch ein paar mehr.«
    »Wie viele sind es denn?« fragte ich.
    »Nun, ich habe sie nicht persönlich gezählt«, sagte der Kater
    und blinzelte mit seinen grünen Augen. »Aber es sind bestimmt
    mehr als zwölf.«
    Plötzlich wusste ich, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte.
    »Du bist die Cheshire Cat, oder?«
    »Ich war die Cheshire Cat«, sagte er mit leichtem Bedauern.
    »Seit der Gebietsreform bin ich der VerwaltungsbezirkWarrington-Kater. Offiziell wenigstens, aber irgendwie klingt es
    nicht richtig. Übrigens: Herzlich willkommen bei Jurisfiktion.
    Es wird Ihnen bei uns gefallen. Die Leute sind alle ziemlich
    verrückt.«
    »Aber ich will nicht unter Verrückten herumlaufen«, sagte
    ich voller Empörung.
    »Das können Sie gar nicht verhindern«, sagte der Kater. »Wir
    sind alle verrückt hier. Ich bin verrückt. Sie sind verrückt.«
    »Warte mal!« sagte ich und schnippte mit den Fingern. »Das
    ist doch die Unterhaltung, die du mit Alice im Wunderland
    geführt hast, nachdem sich das Baby in ein Ferkel verwandelt
    hat, nicht wahr?«
    »Ach!« sagte der Kater mit einem ärgerlichen Zucken des
    Schwanzes. »Sie denken wohl, Sie können Ihren eigenen Dialog
    schreiben, was? Das haben schon andere versucht, das endet
    meist ziemlich übel. Aber bitte, machen Sie doch, was Sie wollen! Außerdem hat das Baby sich in eine Perle verwandelt und
    nicht in ein Ferkel.«
    »Oh nein! Es war wirklich ein Ferkel.«
    »Eine Perle!« sagt der Kater störrisch. »Wer ist in dem Buch
    gewesen? Sie oder ich?«
    »Es war ein Ferkel !«
    »Na schön!« rief der Kater. »Ich werde nachsehen gehen.
    Dann stehen Sie schön blöde da, das verspreche ich Ihnen!«
    Und damit verschwand er.
    Ich stand ein paar Minuten herum und fragte mich, wie verrückt die Dinge wohl noch werden könnten. Aber kaum war ich
    fertig damit, da fing der Kater wieder an zu erscheinen: erst der
    Schwanz, dann der Körper und schließlich der Kopf und die
    Schnauze.
    »Und?« fragte ich.
    »Na schön«, knurrte der Kater. »Es war tatsächlich ein Ferkel. Mein Gehör ist nicht mehr so gut; ich nehme an, das hat
    mit dem vielen Pfeffer zu tun. Ach, übrigens, das habe ich fast
    vergessen: Sie sind Miss Havisham zugeteilt worden.«
    »Miss Havisham? Aus den Großen Erwartungen?«
    »Welcher denn sonst? Es wird bestimmt alles gut gehen.
    Vermeiden Sie bloß, über die Hochzeit zu reden.«
    »Ich werd mir Mühe geben. Warte mal, was soll denn zugeteilt heißen?«
    »Ganz einfach. Sie gehen bei ihr in die Lehre. Hier herkommen ist nur die Hälfte des Abenteuers. Wenn Sie bei uns mitmachen wollen, müssen Sie schon ein paar Dinge lernen. Bis
    jetzt können Sie gerade mal notdürftig reisen. Mit ein bisschen
    Übung lernen Sie vielleicht, seitengenau in die Bücher zu springen. Aber wenn Sie wirklich tief in den Hintergrund eindringen
    und über die Klappentexte hinauskommen wollen, brauchen Sie
    schon ein bisschen Ausbildung. Wer weiß, vielleicht werden Sie
    irgendwann sogar in der Lage sein, gelegentlich den roten
    Faden eines Buches zu finden, der alles zusammenhält.«
    »Der rote Faden?« sagte ich etwas töricht. »Ist das nicht Sache des Buchbinders?«
    Der Kater schlug voller Ungeduld mit dem Schwanz.
    »Dummkopf! Ich meine die Idee, das Konzept, den entscheidenden Funken. Stellen Sie sich mal Folgendes vor: Sie sitzen an
    einem warmen Sommerabend im weichen Gras. Die Luft ist
    erfüllt von Musik, vor Ihnen ein herrlicher Sonnenuntergang, in
    Ihren

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