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02_In einem anderen Buch

02_In einem anderen Buch

Titel: 02_In einem anderen Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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»Gibt es sonst noch was
    Neues?« fragte ich.
    Bowden zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Ja, ich versuche
    die beste Reihenfolge der Gags in meiner Comedy-Show morgen abend zu finden.«
    »Wie viel Zeit haben Sie denn auf der Bühne?«
    »Zehn Minuten.«
    »Lassen Sie doch mal sehen.«
    Er hatte seinen Auftritt schon an mir ausprobiert, obwohl ich
    ihm gleich gesagt hatte, dass ich nicht das richtige Publikum sei.
    Bowden selbst fand seine Witze überhaupt nicht komisch,
    obwohl er die zugrunde liegenden Prinzipien durchaus
    verstand.
    »Ich würde mit den Pinguinen auf der Eisscholle anfangen«,
    sagte ich, »und dann zu dem Tausendfüßler übergehen. Dann
    das weiße Pferd in der Kneipe, und wenn das funktioniert,
    können Sie die Schildkröte bringen, die von Schnecken ausgeraubt wird. Dann die Hunde im Wartezimmer beim Tierarzt
    und schließlich die Begegnung mit dem Gorilla.«
    »Was ist mit dem Löwen und dem Pavian?«
    »Ja, den würde ich anstelle der Pferdegeschichte nehmen,
    wenn Ihnen der Tausendfüßler misslingt.«
    Bowden machte sich eifrig Notizen. »Wenn … der Tausendfüßler … misslingt. Hab ich. Was ist mit dem Bärenjäger? Den
    hab ich Victor vor kurzem erzählt, und der Earl Grey ist ihm
    aus beiden Nasenlöchern gespritzt.«
    »Den würde ich als Zugabe aufheben. Der dauert ja allein
    drei Minuten, und Sie müssen sich wirklich Zeit dafür nehmen
    …«
    »Canapés, Liebling?« fragte meine Mutter und hielt mir das
    Tablett hin.
    »Habt ihr noch welche mit Krabben?«
    »Ich gehe mal nachsehen.«
    Ich folgte ihr ins Vestibül, wo sie und ein paar andere Mitglieder des Hausfrauenbundes die Häppchen für die Vernissage
    zubereiteten.
    »Mum«, sagte ich, während ich zusah, wie die stocktaube
    Mrs Higgins weiße Spitzendeckchen auf die Tabletts legte. »Ich
    muss mit dir reden.«
    »Ich hab zu tun, Schätzchen.«
    »Es ist aber sehr wichtig.«
    Meine Mutter hörte auf herumzukramen, legte alles beiseite
    und steuerte mich in eine Ecke des Vestibüls, wo eine bröckelnde Steinfigur stand, die angeblich einen Anhänger von St. Zvlkx
    darstellte. »Nun, meine geliebte Tochter, was ist so viel wichtiger als leckere Canapés?«
    »Nun ja«, begann, weil ich nicht sicher war, wie ich anfangen
    sollte. »Erinnerst du dich, dass du mal gesagt hast, du wärst
    gern Großmutter?«
    »Ach, das!« lachte sie und stand auf. »Dass du ein Baby
    kriegst, weiß ich doch schon lange. Ich habe mich bloß gefragt,
    wann du's mir endlich erzählst.«
    »Warte mal!« sagte ich, denn ich fühlte mich plötzlich betro-gen. »Solltest du nicht überrascht sein? Und losheulen?«
    »Alles schon erledigt, mein Schätzchen. Darf ich so taktlos
    sein, nach dem Vater zu fragen?«
    »Mein Ehemann, hoffe ich – aber ehe du weiterfragst: Die
    ChronoGarde hat ihn genichtet!«
    Sie zog mich in ihre Arme und drückte mich an die Brust.
    »Mein armes Kind. Das tut mir so schrecklich leid. Kannst du
    ihn wenigstens manchmal sehen, so wie ich deinen Vater?«
    »Nein«, sagte ich unglücklich. »Er existiert nur noch in meinen Erinnerungen.«
    »Ach, mein armes Entchen«, sagte meine Mutter und umarmte mich von neuem. »Aber du musst dankbar sein für das,
    was du hast. Viele von uns haben nicht einmal das – sie kennen
    nur das vage Gefühl, dass eigentlich alles ganz anders hätte sein
    können. Du musst mal zur Angehörigen-Selbsthilfegruppe von
    Nichtungsopfern mitkommen. Glaub mir, es gibt mehr Verlorene, als du dir vorstellen kannst.«
    Ich hatte nie wirklich mit meiner Mutter über Dads Nichtung gesprochen. Alle ihre Freunde hatten wohl angenommen,
    meine Brüder und ich seien aufgrund ihres Leichtsinns gezeugt
    worden. Für meine äußerst moralische Mutter war das fast
    genauso schlimm wie Dads Nichtung selbst. Andererseits kann
    ich »Selbsthilfegruppen« nicht leiden und machte deshalb einen
    vorsichtigen Rückzieher.
    »Woher wusstest du denn, dass ich schwanger bin?« fragte
    ich, während sie immer noch meine Hand streichelte.
    »Das sieht man doch schon von weitem! Du frisst wie ein
    Scheunendrescher und starrst jedes Baby an wie ein Weltwunder. Als neulich Mrs Pilchards kleiner Cousin bei uns war,
    konntest du gar nicht die Finger von ihm lassen.«
    »Bin ich denn sonst nicht so?«
    »Nein, eigentlich nicht. Dein Busen wird auch üppiger – dieses Kleid hat dir nie besser gestanden als jetzt. Wann soll's denn
    so weit sein? Im Juli?«
    Ich konnte nicht antworten, weil eine Welle der Verzweiflung mich

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