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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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junger Beamter ein, reichte dem Chef eine dicke Akte und zog sich eiligst wieder zurück. Plater schlug den Hefter auf und entnahm ihm einen Stapel Fotografien.
    Typische Polizeiaufnahmen, wie Lynley sah. Im harten Schwarzweiß zeigten sie den Tod in erbarmungslosen Details: einen kahlen, fast völlig unmöblierten Raum mit einer Balkendecke, einem Boden aus breiten Holzdielen voller Löcher und Narben und schrägen Wänden aus rohen Holzbalken, in die mehrere kleine Fenster eingelassen waren. Ein Stuhl mit einer Sitzfläche aus Korbgeflecht lag zur Seite gekippt unter der Toten. Einer ihrer Schuhe war ihr vom Fuß gefallen und in einer Querleiste des Stuhls hängengeblieben. Sie hatte sich nicht mit einem Strick erhängt, sondern mit einem Stück Stoff, einem dunklen Schal, wie es schien, der um einen Haken in einen der Deckenbalken geschlungen war. Ihr Kopf war nach vorn geneigt, und das lange blonde Haar verbarg wie ein Vorhang den größten Teil des vom Tod entstellten Gesichts.
    Während Lynley die Fotografien eine nach der anderen durchsah, setzte sich ein Gefühl vagen Zweifels in ihm fest. Er reichte die Aufnahmen Barbara Havers weiter und beobachtete sie aufmerksam, während sie sie betrachtete; doch sie gab sie Plater wortlos zurück.
    »Wo wurden die Aufnahmen gemacht?« fragte er Plater.
    »Man fand die Frau in einer alten Mühle draußen auf dem Mildenhall Fen, ungefähr anderthalb Kilometer vom Dorf entfernt.«
    »Steht die Mühle noch?«
    Plater schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist vor drei oder vier Jahren abgerissen worden. Aber auch wenn sie heute noch zu besichtigen wäre, hätte Ihnen das wohl kaum etwas gebracht. Diese Miss Sinclair«, fügte er nach einer kleinen Pause nachdenklich hinzu, »wollte sie auch besichtigen.«
    »Ach was?« meinte Lynley interessiert und dachte an das, was John Darrow ihm erzählt hatte: Joy Sinclair hatte zehn Monate gebraucht, um den Todesfall aufzustöbern, über den sie hatte schreiben wollen. »Sind Sie ganz sicher, daß das ein Selbstmord war?« fragte er Plater.
    Statt einer Antwort begann Plater in der Akte zu blättern. Nach einigem Suchen zog er ein einzelnes stark zerknittertes Blatt Papier heraus, das wohl damals jemand im Zorn oder Schmerz zusammengeknüllt hatte. Lynley überflog die wenigen Worte; eine große, kindliche Schrift, runde Buchstaben, die wie gemalt wirkten, statt Punkten und I-Tüpfelchen kleine Kreise.
    Ich muß gehen, es ist Zeit ... Dieser Baum hier ist vertrocknet, aber trotzdem wiegt er sich mit den andern zusammen im Winde. So werde ich, wenn ich auch sterbe, dennoch so oder so am Leben teilnehmen. Leb wohl ...
    »Das ist doch wohl ziemlich deutlich«, meinte Plater.
    »Wo wurde der Zettel gefunden?«
    »Er lag in ihrem Haus auf dem Küchentisch. Und der Kugelschreiber gleich daneben.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Ihr Mann. Sie sollte ihm am Abend in der Wirtschaft helfen. Als sie nicht kam, ging er nach oben in ihre gemeinsam!Wohnung. Er sah den Zettel, bekam es mit der Angst zu tun und rannte sofort los, um sie zu suchen. Als er sie nicht finden konnte, lief er zurück, schloß das Pub und trommelte eine Gruppe Männer zu einer Suchaktion zusammen. Kurz nach Mitternacht«, schloß Plater nach einem Blick in die Akte, »fand man sie in der Mühle.«
    »Wer fand sie?«
    »Ihr Mann. Zusammen mit zwei Männern aus dem Dorf«, fügte er hastig hinzu, als er sah, daß Lynley etwas sagen wollte, »die nicht gerade zu seinen besten Freunden zählten.« Plater lächelte. »Ich sehe schon, Sie denken das gleiche, was wir alle zunächst dachten, Inspector. Daß Darrow seine Frau zur Mühle hinauslockte, sie dort tötete und dann selbst den Brief schrieb. Aber diese Möglichkeit haben wir gründlich überprüft. Der Brief ist echt. Unsere Experten haben es bestätigt. Auf dem Papier sind zwar nicht nur Hannahs Abdrücke, sondern auch die ihres Mannes, aber das läßt sich leicht erklären. Er hat den Brief vom Küchentisch genommen, wo sie ihn für ihn zurückgelassen hatte. Außerdem trug Hannah Darrow an dem Abend reichlich Ballast, um dafür zu sorgen, daß ihr Plan auch wirklich gelang. Sie hatte zwei schwere Wollmäntel an und darunter zwei dicke Pullover. Sie können mir nicht weismachen, daß ihr Mann sie dazu überreden konnte, in dieser Verkleidung ihren Abendspaziergang zu machen.«

    Das Agincourt Theatre stand eingezwängt zwischen zwei weit imposanteren Bauten in einer schmalen Nebenstraße der Shaftesbury Avenue. Zu seiner

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